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« ^ Psychische Studien. XLVII. Jahrg. h Heft. (Januar 1920.)
der mediuinistischen Forschung nicht unvereinbar mit den
Resultaten der naturwissenschaftlichen Forschung. — Einer
der größten deutschen Naturphilosophen, Hans Driesch, hat in
seinem reifsten Werke, „Die Wirklichkeitslehre*, ein mannhaftes
Verteidigungswort für die okkultistisch - spiritistische
Forschung gesprochen.*) — Wir sehen1, der Weg der Verständigung
zwischen Okkultismus und Wissenschaft ist bereits
gangbar gemacht. — Nun heißt es aber auf beiden
Seiten die Scheuklappen des Vorurteiles ablegen, das Gefundene
ehrlich prüfen und das Tatsächliche furchtlos, unbekümmert
um Autorität, Presse und Volksmeinung verkünden
.
Aber auch jene Gruppe von Okkultisten, die in Dogmen
erstarrt, von peinlich-genauer Forschung nichts wissen will,
in jedem Tischklopfen den Geist eines Verstorbenen zu
erkennen glaubt, mediumistisch-intellektuelle Kundgebungen
mit einer Ahnengalerie von Abgeschiedenen verquickt, vor
einer Tiefenpsychologie flieht, wie im Volksglauben Satan
vor dem Weihwasser, muß endlich zur Einsicht kommen,
daß der Mensch in der Erkenntnis fortschreitet und daß
alte Deutungen von Natur- und Geistgeschehnissen neuen
Einsichten weichen müssen. Eines wird uns auch die tiefste
Einsicht in die Natur, die einem Menschengeiste möglich
ist, nicht rauben: die Gewißheit, daß Geistesgeschehen
e;n Sondergeschehen ist, — daß das Gesetz des Zerfalles
, des Vergehens, das wir aus Sinneserfahrung geschöpft,
auf das Geistige keine Anwendung finden kann. — Diese
tTherzeugung, durch jedermann einleuchtende Tatsachen zu
stützen, die Massen vom Glauben zum Wissen zu führen,
muß die Aufgabe okkultistischer Forschung sein.
Tausende, die Besten unseres Volkes, verfolgen unsere
Arbeiten, die greifen gierig nach* jedem Buch, das Neues
verheißt, sie verschlingen die Abhandlungen in der Presse,
die über Seelenforschung und Okkultismus, über Telepathie
und dgl. berichten. Das „Wiener Journal* wird deshalb
so gerne gelesen, weil es auch — im Gegensatz zu anderen
Zeitungen, die alle Seelenregungen des Menschen in der
Politik erstickeu wollen, — Aufsätze von anerkannten Fachleuten
über Okkultismus bringt.
Die okkultistische Forschung muß aber ihr Augenmerk
auch auf Bestrebungen richten, die in ihrer Gefährlichkeit
in eine Linie mit dem Aberglauben kritikloser Offenbarungsspiritisten
gestellt werden müssen. — Dem wissenschaftlichen
Okkultismus droht Gefahr von den sogenannten
^Experimentalpsychologen*, den Veranstaltern von „tele-
*, Vgl. vor. Jahrg. S. 233 n. 611 ff. — Schriftl.
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