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lllig: „Totensonntag"
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der Besten unter den Denkern und Forschern deutscher
Nation, den Namen Justinus Kernels trägt. — Der mit
einem unverbildeten Natursinn, mit gesunder Beobachtungsgabe
und mit einem geradezu idealen Gemüte ausgestattete
schwäbische Dichterarzt rückt wieder in greifbare Nähe.
Mag manches in seinem theoretischen Lehrgebäude nicht
mehr aufrecht zu erhalten sein, unter den Bahnbrechern der
okkultistischen Bewegung gebührt ihm der Platz neben den
Hervorragendsten.
Die fimanationsforsehung, die von Prof. Benedikt, dem
weltbekannten Arzt und Naturforscher, eingeleitet wurde,
die Reichenbach wieder zu Ehren gebracht, rückt auch das
Bild der größten Sensitiven, der Seherin von Prevorst, in
den Lichtkreis moderner Forschung.
Möge das noch Dunkle, „Okkulte*, immer mehr offenbar
werden, auf daß wir die Fäden erkennen, die das Diesseits
mit dem Jenseits der Sinne verknüpfen! —
Von diesem Gedanken geleitet will der Kerner-Bund
den Kampf gegen zwei Fronten aufnehmen — gegen Trug
und gegen Materialismus. —
„Totensonntag* \
»Geburt, Leben und Tod sind nur Zustände
der Seele. Der Körper ist nur die Form der
Seele. Der Tod ist nicht das Ende des Lebens.
Denn das Leben entsteht nicht durch die Geburt
. Der Tod ist nur Forträumung der Hindernisse
des Lebens.« Kant.
Von J. 111 i g, Göppingen.
Vom Ende des 10. Jahrhunderts ab ist in der christlichen
Kirche das Allerseelenfest nachweisbar, das am 2. November zum
Gedächtnis der im Fegfeuer befindlichen Seelen heute noch in der
katholischen Kirche gefeiert wird. Die evangelische Kirche hat
das Allerseelenfest abgeschafft und durch den einfachen Totensonntag
ersetzt, weil die Reformatoren den Glauben an das Fegfeuer
ablehnten. Es ist hier nicht beabsichtigt, die Gründe für
das Für und Wider zu prüfen, sondern nur die Tatsachen festzustellen
. Aus diesen Tatsachen ergibt sich der verschiedene Sinn
und Inhalt der beiderseitigen Totenfeiern. Auf evangelischer Seite
soll der Totensonntag mehr ein allgemeines „Memento mori", ein
„Gedenke des Todes!" sein, das je nach dem persönlichen Bedürfnis
des einzelnen auch ein freundliches Erinnern an die dahingegangenen
Lieben «sein mag. Auf katholischer Seite geht der Sinn
des Festes mehr in die Tiefe. Da pflegen die Lebenden und die
Abgeschiedenen einen direkten Verkehr miteinander, indem die
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