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Ludwig: Gregor d. Gr. über sog, experiment. Beweise d, Fortlebens 23
des vierten Buches der Dialoge ihr Verdikt ausgesprochen:1)
meines Erachtens zu vorschnell; denn mit ßecht hat schon
Abb£ Migne, der verdienstvolle Herausgeber der Väterschriften
in der Riesenausgabe von über 300 Bänden, in
der lateinischen Vorrede zu den Dialogen2) darauf aufmerksam
gemacht, daß doch Gregor gerade im vierten Buche vieles
aus seiner eigenen Erfahrung erzähle, anderes aus dem
Munde angesehener, glaubwürdiger Zeugen berichte, die zu
seiner Zeit noch lebten.
Es sei aber gegen die Gesetze der historischen Methode,
diesen Berichten von vornherein die Glaubwürdigkeit deshalb
absprechen zu wollen, weil sie Ungewöhnliches erzählen.
Auch im vierten Buch ist die Form des Dialogs gewählt.
Die Zweifel am Fortleben werden dem Gregor befreundeten
Diakon Petrus, der hier die Rolle christlicher Skeptiker zu
spielen hat, in den Mund gelegt und vom Papste widerlegt.
Ich beschränke mich darauf, die Unterredung in ihren
Hauptzügen wiederzugeben, ohne auf die Fülle von Einzelberichten
und sog. Fällen einzugehen, die Gregor bereit hat.
Es gebe, so klagt Gregor seinem Diakon, Leute, die
zweifeln, ob es überhaupt etwas Unsichtbares gebe, weil sie
es nicht aus Erfahrung (per experimentum) wissen können.
Und nun gebraucht Gregor einen guten Vergleich, der sich
auch mir früher oft aufdrängte und den ich jenen entgegenhielt
, die sagten, sie könnten nicht an ein Fortleben glauben,
weil sie sich von einem solchen gar keine Vorstellung
machen könnten. Der Papst weist nämlich hier auf eine
Mutter hin, die im Gefängnis einem Kind das Leben gibt
und diesem dann, nachdem es die gehörige Reife erlangt
hat, von den Herrlichkeiten in Natur und Menschen weit
draußen erzählt. Das Kind will den Bericht der Mutter
nicht glauben, weil es diese Herrlichkeiten nicht aus Erfahrung
kennt und nie gesehen hat. Genau so urteilen
manche Menschen nm dunkeln Kerker dieses irdischen
Lebens. Sie wollen an Uberirdisches nicht glauben, obwohl
sie doch Christus Glauben schenken sollten, dem Logos des
Weltenschöpfers, der uns die Existenz eines überirdischen
Reiches versichert hat, aus dem er selbst herniedergestiegen.
Darauf versetzt der Diakon Petrus: dies Argument sei wohl
für einen bereits Gläubigen anwendbar, daß er sich nämlich
der Autorität des Lehrenden unterwirft, aber nicht für einen
Ungläubigen. Dieser verlange Vernunftbeweise. Und
/ ~~ '
*) Z. B. von kath..Seite auch Rauschen „Grundriß der Patrologie",
Freiburg 1913, S. 260.
2) Series Latina, Bd. 77, S. 142.
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