Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene, Bibliothek, Frei122-Z5
Aksakov, Aleksandr N. [Begr.]
Psychische Studien: monatliche Zeitschrift vorzüglich der Untersuchung der wenig gekannten Phänomene des Seelenlebens
47. Jahrgang.1920
Seite: 104
(PDF, 183 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Parapsychologie und Grenzgebiete der Psychologie

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1920/0108
104 Psychische Studien. XLVIL Jahrg. 2.-3. lieft. (Febr.-März 1920.)

viert. Um diese beiden menschlichen Grundtriebe: den zentripetalen
des Egoismus mit dem zentrifugalen des Altruismus in Harmonie
zu setzen und zu einem einträchtigen Zusammenwirken zu
bringen, muß die Motivationskraft der Selbstliebe vermindert und
auf ihr richtiges Maß zurückgeführt und die Motivationskraft der
Nächstenliebe erhöht und auf ihr normales Maß gebracht werden,
bis sie einander die W age halten. Einen solchen Ausgleich der
dualen menschlichen Grundtriebe vermag aber nur eine Weltanschauung
zu bewirken, in welcher die Nächstenliebe ebenso
motiviert erscheint wie die Selbstliebe. Eine richtige und gemeinverständliche
Anweisung zu Herstellung des Einklangs zwischen
Nächstenliebe und Selbstliebe hat Christus in dem bekannten, aber
niemals befolgten Gebote gegeben: „Liebe deinen Nächsien wie
dich selbst/4

Ist eine Weltanschauung imstande, der Nächstenliebe neue
Motive zuzuführen und dadurch ihre Motivationskraft zu erhöhen,
so erfolgt, wie ich denke, eine Modifikation der Selbstliebe
von selbst.

Möglicherweise ist der Okkultismus dazu berufen, der Menschheit
einstmals eine Weltanschauung zu liefern, welche diese Bedingungen
erfüllt, verfügt er doch über Tatsachen, die, wenn einwandfrei
festgestellt, geeignet sind, ihr ein solides Fundament zu
schaffen. Ich sage „einstmals" und ..möglicherweise", weil ich mir
bewußt bin, daß dies nicht nur von der Natur der Tatsachen, die
ja stets da waren, sondern auch von dei Natur der Menschen abhängt
, die sie in sich aufnehmen und geistig yeraiheiten. Wird
der menschliche Verstand, der heute als Sophist im Dienste des
Eigennutzes steht, sie nicht aus demselben Grunde, aus dem er sie
bisher frech geleugnet, dadurch unschädlich zu machen trachten,
daß er ihnen in seiner materialistischen Wissenschaft ein Prokrustesbett
bereitet, oder daß er die moralische Bedeutung dieser
Tatsachen verdunkelt, indem er sie in einen Nebel von Mystizismus
hüllt?

Es steht zu befürchten. Finden wir doch, wie die Erfahrung
lehrt, den großen Sophisten des Eigennutzes sowohl im Lager des
Rationalismus, als auch in jenem des Obskurantismus mit gleichem
Eifer tätig, wenn immer es der Vorteil seines Herrn erheischt. —
Wie wenig die Menschheit sich bewußt ist, daß die trostlosen Zustände
, unter denen sie leidet, nur die natürlichen Konsequenzen
des fessellos waltenden individuellen und kollektiven Eigennutzes
sind, zeigt sich in der albernen Phrase, die heut jedermann sich
zuraunt, und deren Gedankenlosigkeit sich hinter den Worten verbirgt
: „Nur die Arbeit kann uns retten." Würden sie sich sagen,
nur die Arbeit kann uns betäuben, kann uns verhindern, uns
unseres Elends recht bewußt zu werden, so hätte dies doch
einen Sinn.


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1920/0108