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140 Psychische Studien. XLVIL Jahrg. 2.-3. Heft. (Febr.-Märzl920.)
die Verneinung der Persönlichkeit und der Welt und der menschlichen
Gemeinschaft bedeutet Vielmehr fordert er nach gerechter
Würdigung beider, der Mvstik und der prophetischen Offenbarungsreligion
, eine schöpferische Synthese und spricht dieser wegen ihrer
Persönlichkeitsbeiahung und Gemeinschaf tsbildung das Uebergewicht
zu. Ich empfehle diese außerordentlich klare, religionspsychologisch
und religionsgeschichtlich tiefschürfende und lichtvolle Schrift -
eine Prachtleistung für einen umsichtigen Katholiken! — zu eingehendem
Studium; sie wird viele Leser u. a. durch ihre einsichtsvolle
Beurteilung einesteils des Buddhismus, andernteils des Protestantismus
und besonders Luthers überraschen.
A. Grobe-Wut ischky.
Dr. F. W. v. Keppler : Das Problem des Leidens, 8. u. 9. Aufl. Herdersche
Verlagsbuchhandlung, Freiburg L Br. Preis 2 M., geb. 3.20.
Eine zeitgemäße Schrift, da das ungeheure Maß allen persönlichen
und allgemeinen Leides jeden tiefer angelegter» Menschen
zwingt, sich mit ihm auseinanderzusetzen nnd eine Lösung des peinlichen
Problems zu suchen, die Verstand und Gemüt befriedigt.
Diesem Bedürfnis will der best bekannte, in gleicher Weise gelehrte
wie auch wortgewandte Verf. entsprechen. Er bespricht die Versuche
der Philosophen alter und neuer Zeit, erkennt auch die relativen
Höhepunkte in dieser Entwicklung an, aber die tiefste und
heilsamste Bedeutung des Leidens zu ergründen gelang doch nur
dem Christentume. das es nicht einzig als Uebel, sondern auch als
sittlichende Kraft erkannte und über die griechische Weisheit, daß
Leiden klug mache, hinaus lehrt, daß aus recht verstandenem Leiden
erst die rechte, wanrhaftige Liebe reife, die mitleidend und mitringend
dem persönlichen wie auch dem allgemeinen Leiden seinen
Stachel nimmt. Ob nun jeder Leser in aliem den Standpunkt des
Verf. einzunehmen gewillt ist oder nicht, so ist doch die Schrift
schon um ihrer bewundernswerten Fülle geschichtlicher Beziehungen
und Literaturnachweise für jeden, der sich mit dem Problem beschäftigt
, unentbehrlich. Dazu ist sie bei bester Friedensausstattung
äußeret wohlfeil und handlich, re^ht zum Weggenossen und Führer
geeignet, so daß sie in jeder Beziehung wärmstens empfohlen
werden kann. A. Grobe-Wntischky.
Hans Freyer: Antäus. Grundlegung einer Ethik des bewußten
Lebens. Jena, Eugen Diederichs. 3 M. u. 20% 1VZ.
Wer das Leben recht versteht, der erkennt, daß es im Grunde
trotz alles Beharrenden revolutionär ist Das Alte wird gestürzt
und Neues setzt sich an dem freigemachten Platze fest, bis es auch
wieder verdrängt wird, und so hat sich immer mehr eine giößere
Ehrfurcht vor dem Neuen, Werdenden gegenüber der Ehrfurcht vor
dem Gewordenen und durch das Alter sonst als geheiligt Angesehenen
geltend gemacht. Soll man das beklagen oder nicht vielmehr freudig
begrüßen? H. F. steht auf dem letzten Standpunkte und fordert
Gründung der Ethik auf das Lebensganze und seinen geistigen Gehalt
als Kern und Ueberbau aller Lebenserseheinungen. Jedes Ding
ist ia ein Markstein in der Verwirklichung einer Idee und letzten
Endes Ausdruck des Allwillens, ist also das „All in eigner Weise*
(S. 10J, wahrhaft ein Mikrokosmos. Darum hat es volle Wirklich^
keit wie das All, ist also nicht bloß Schein, und hat wie das All
ein unstreitbares wesenhaftes Daseinsrecht. Aber es steht und fällt
mit der Idee, die es verkörpert und so kann ihm keine ewige Dauer
beschieden sein, ebensowenig kann die starke Betonung des Einzel-
dinges zur üebertreibung und zu schrankenlosem Individualismus
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