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Hänig: Lord L. Bulvers Eoman: Zanoni. 179
gegenüber gehüllt hat: er verweist ihn, den Wißbegierigen,
auf jene alte Priestersehaft, die in den geringsten Werken
der Natur deren Wesen zu ergründen suchte und deren
Kunde im Abendlande längst verschüttet ist, aber er weist
ihn auch auf die Gefahren hin, die ihm, im Sinne der
Astrologen gesprochen, finster vor seinem Hause drohen.
Vermittelst seiner Sehergabe vermag er Viola vor den Nachstellungen
eines neapolitanischen Fürsten zu retten und in
einer Stunde, in der er dieser allein gegenübersteht, setzt
er ihren Andeutungen von der Anziehungskraft, die er auf
das Mädchen auszuüben vermag, ein standhaftes Bekenntnis
entgegen: sein Leben ist abseits von dem der Menschenherde
eine Huldigung der Schönheit, und er meidet die
Liebe der Erdentöchter, die anderen als das Begehrenswerteste
erscheint, als ein furchtbares Übel. Er verweist
sie auf Glyndcns Liebe, die imstande sei, sie glücklich zu
machen. Scheint doch bereits auch dieser unter dem Eindruck
, den er von Zanoni gewonnen hat, einen wesentlichen
Antrieb zum Besseren erhalten zu haben. Er erinnert sich
an die erstaunliche Fähigkeit, die Zanoni in der Beherrschung
fremder Sprachen zeigt und vergleicht ihn mit den Rosenkreuzern
, denen ebenfalls diese Kräfte zugeschrieben wurden;
er erinnert sich, mit welcher Menschenfreundlichkeit sich
der Fremdling besonders solcher Menschen annimmt, die
vergessen in Not leben und welche glänzenden Fähigkeiten
er besonders in der Erzählungskunst gezeigt hat, und er
neigt der Auffassung zu, daß die Heimat des Fremden im
Orient liegen müsse, zumal auch das Gerücht von ihm geht,
daß er längere Zeit in Indien zugebracht habe, Ein Zufall
will es, daß er zu jener Zeit mit dem häßlichen, wenn auch
einseitig begabten Franzosen Nicot (von dem Verfasser
absichtlich als Zerrbild der französischen Revolution gezeichnet
) zusammentrifft. Bulwer nimmt hier Gelegenheit,
in dessen Ideen zugleich die der französischen Revolution
aus dem Munde Zanonis kritisieren zu lassen; die Ungleichheit
läßt sich vielleicht im physischen Leben beseitigen,
aber niemals werden die intellektuellen und moralischen
Ungleichheiten sich aus der Welt schaffen lassen. Er verweist
den wißbegierigen Glyndon, der die Geheimnisse der
Magie sucht, auf die Kunst und besonders die Malerei, die
das Unsichtbare zu fixieren sucht, und er versucht andererseits
noch einmal, wenn auch mit Aufbietung aller Seelenkräfte
, Viola zum Bunde mit dem jungen Engländer zu
bewegen (2. Buch). Aber auch dieser schwankt bereits
zwischen der Liebe zu der schönen Neapolitanerin und dem
unsichtbaren Hang, der ihn zur Magie zieht und deren
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