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Lang: Das Ichbewußtsein, d. wahre Wesen d. Geisteskrankkeiten. 191
den geistig geschalten Schimmer meines gefundenen geistigen
Punktes, des Ichs. Wohl habe ich das Ich gefunden, aber nicht
erkannt und war mir dessen unbewußt, daß dieses nunmehr gefundene
Ich ich selbst es bin.
Nun jetzt erst begann der bewußtseinsraubende Kampf um
die Erkenntnis des gefundenen Ichs als das meinige. In meinem
Bewußtseinsspiegel bildete nun der mit herübergenommene Schim-
mer des Ichs fortwährend das Betrachtungsobjekt. Ich mußte nun
um jeden Preis erfahren, daß dieser geschaute Schimmer des Ichs
ich selbst bin, koste es was es wolle. Unbewußt stand ich vor
der Entscheidung: entweder geistig siegen oder geistig sterben.
Fast zwei volle Jahre «dauerte dieses mir nicht bewußte Ringen
mit dem Verluste des Bewußtseins; klaren Sinnes zu sein und unbewußt
den fortwährenden drohenden Verlust des Bewußtseins
vor seinem geistigen Auge zu haben, war eine fortwährende unbe-
schreibliche seelische Qual. Ich mußte mich fortwährend über-
wachen, damit ich mach vor dem Verluste des Bewußtseins bewahrte
, in der Finsternis des reinen Ichs mich nicht verlor.
In meiner Unwissenheit schaute ich anfangs immer den mir
nicht bewußten drohenden Verlust des Bewußtseins für einen
drohenden epileptischen Anfall an, da der Umstand, daß ich
seinerzeit den Epileptiker sah, und aus diesem Anlasse über
das Wesen der Epilepsie und der Bewußtlosigkeit bzw. des Bewußtseins
nachdachte, wodurch ich auf die Spuren des Ichsweges
gekommen bin und das Ich auch wirklich gefunden habe, die
objektive Selbstbetrachtung des reinen gefundenen Ichs im Ichspiegel
hervorrief, mit welcher fortwährend der drohende Verlust
des Bewußtseins verbunden war.
Jetzt ist es mir klar, daß das eigentlich keine Verwechslung
war, sondern daß das Wesen der Epilepsie nichts anderes ist als
ein in der Befangenheit der unbewußten objektiven Selbstbetrachtung
des reinen sich bewußten Ichs vollzogenes Sich-ver-
lieren im Ich, wobei dadurch gewalttätig die Bewußtlosigkeit herbeigeführt
wird, gegen die er sich sträubt selbst im bewußten Zustande
zur Außenwelt, was die Krampferscheinungen beweisen. Des
psychischen Vorganges natürlich ist sich der Epileptiker nicht bewußt
. Ich konnte klaren Sinnes und rein objektivdie Folgen des
Kampfes mit dem Ringen des drohenden Verlustes des Bewußtseins
schauen, nämlich das Gefühl des Ameisenlaufens in den
oberen Teilen des Gehirns, das Zusammenziehen der Gehirnnerven
und schließlich der herannahende Krampf, der von dem Teile des
Gehirns (nämlich in der Mitte der oberen Gehirnhälfte) ausgehend
, wo das Ich seinen Sitz hat, sich auf das Nervensystem des
ganzen Körpers erstreckte. Ich fühlte und schaute geistig in der
Objektivität, wie sich mein Kopf krampfhaft zurückdrehen wollt«",
das Zittern in den Händen und Füßen. Ein krampfhaftes Biegen
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