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194 Psychische Studien. XLVJI. Jahr^. 4. FTeft. (April 1920.)
Befangene danach trachtet, sich in einem Zimmer einzusperren
und Kästen herbeizuschleppen, um die verriegelte Türe zu verstellen
. Es kann aber jedoch auch sein, daß diese drohende Befangenheit
dieser Ichbetrachtung, welche den quälenden, Bewußtseinsraub
drohenden und unerträglichen Seelenzustand hervorruft, nicht
in Form von quälenden Furcht- oder Angstgefühlen auftritt, sondern
in einer unerklärlichen Seelenqual, und der Befangene auf
Grund dieses «unerklärlichen und den Geist mariernden quälenden
Seelenzustandes, dessen Urheberschaft er in seiner Unwissenheit
einer bestimmten oder auch unbestimmten Person, die zufällig in
seiner Nähe ist, oder auch mehreren anwesenden Personen zuschreibt
, die ihn nach seiner Ansicht so marternde Person, bzw.
Personen, schimpfen, schlagen oder sogar töten will, damit er sich
von seiner Seelenqual befreien könne. Der Befangene kann auch
auf Grund der Ideenassoziation anderen Dingen die Schuld seines
quälenden Seelenzustandes zuschreib-n, so daß er durch Vernichtung
von toten Gegenständen seine Erlösung sucht, oder durch
fortwährendes Heiumschlagen, Schimpfen und Fluchen oder
Schreien usw. befreit werden will von seiner Pein. Das Selbstbewußtsein
ist hier völlig vorhanden (bösartiger Wahnsinn).
Derjenige, der imstande ist, klaren Sinne? der drohenden Befangenheit
dieser Ichbetrachtung objektiv ins Auge zu schauen, kann
diesen soeben geschilderten psychischen Vorgang leicht nach-
erleben. So konnte ich manchmal in meinem Innern den psychi-
sehen Vorgang eines sogenannten Wahnsinnigen objektiv schauen
und erleben, so z. B. war ich einmal in einem Konzert. Der vortragende
Klavierspieler spielte wunderbar, ich vertiefte mich in
seine Musik. Plötzlich schloß sich an dieses Vertiefen unbewußter
Weise diese drohende Befangenheit der Ichbetrachtung an und ich
schrieb die Schuld des daraus entstehenden, mir nicht bewußten
quälenden Zustandest den ich mir momentan nicht erklären konnte,
natürlich dem Klavierspieler zu. Der Befangenheit* jedoch sofort
bewußt, besaß ich aber nicht gleich die Fähigkeit, mich aus dieser
Befangenheit zu entreißen und ich hatte nun Gelegenheit, geistig
objektiv zu schauen und zu erleben, wie sich
mir der Gedanke aufdrängte, den Klavierspieler, der, wie ich
glaubte, an meinem quälenden Seelenzustande »die Schuld trug, anzupacken
. Als ich nun den Gedanken abstreifte, daß die Schuld
der Klavierspieler trug, so glaubte ich, den nächsten Besten ohrfeigen
oder schlagen zu müssen. Nachdem ich mich nun von diesem Gedanken
auch losgemacht, so konnte ich in mir ferner den weiteren
Zwang geistig schauen, mich des quälenden Seelenschmerzes durch
lautes Schreien oder Schimpfen oder durch das Hinausspringen aus
dem Fenster in den Hof oder durch Herumwerfen von Sachen auf
das Publikum usw. zu entledigen. Dieser Zustand verschwand in
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