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Sehrenk-Noizlng: Die sog. supranormale Physiologie usw. 227
Auch wenn es so sein sollte ,so wird das Mysterium damit
nur scheinbar aufgehellt: „Man spricht von der „Idee directrice"
in der Biologie. Was ist diese leitende Idee? Woher kommt sie?
Man spricht von einer ideoplastischen Kraft, dem Organisator und
Leiter des organischen Komplexes. Wem gehört diese Kraft?
Woher kommt sie? Die „Idee directrice" die ideoplastischen
Fähigkeiten hängen nicht von dem Bewußtsein ab, in dem wir gewohnt
sind, unser ganzes Ich zu vereinigen. Sie steigen aus der
Tiefe eines geheimnisvollen und undurchdringlichen Unbewußten
. Ob es sich um normale oder sogenannte supranormale Physiologie
handelt, der biologische Dynamismus ist gleich unbewußt
.
„Der bewußte und leitende Wille des Wesens hat keine Einwirkung
auf die großen organischen Funktionen und er beteiligt
sich nicht an den ideoplastischen Materalisationen, die mitunter,
wenn nicht immer, erzeugt zu sein scheinen auf Kosten der
Substanz des Wesens, aber außerhalb desselben zustande gebracht
durch von dem Medium getrennte Wesenheiten.
Wenn man also von Ideoplastie spricht, von der Modellierung
der Materie durch die Idee, von einem organisierenden unterbewußten
Psychodynamismus, so heißt das einfach das Mysterium
weiter hinausschieben, aber es heißt nicht dasselbe aufheben.
Das weiter entfernte Rätsel ist deswegen nicht weniger unlöslich."
Richtig ist, daß das biologische Problem sich außerordentlich
kompliziert, wenn man von den elementaren Tatsachen ausgeht,
die wir in unseren Ausführungen erwähnt haben, nämlich dem
dreifachen Begriff der Einheit der Substanz, des organisierenden
Dynamismus und der Bedingung dieses Dynamismus durch das
Geistige. Das Problem umfaßt nicht allein die Physiologie,.
sondern die Psychologie, alle Naturwissenschaften und die
Philosophie.
Mit einem Wort, es handelt sich nicht mehr um das Leben
allein, sondern um den Bau und die Evolution des Universums
und des Individuums. Kann man dieses gewaltige Problem behandeln
, wenn man von Tatsachen ausgeht, von unserm festgegründeten
Wissen und den daraus sich ergebenden vernünftigen
Schlußfolgerungen ?
Ich zögere nicht, mit ja zu antworten. Ist es z. B. nicht
augenscheinlich, daß die Begriffe, welche wir soeben über die
Natur und die Genesis der Materialisationen gewonnen haben,
eine glänzende Bestätigung der großen metaphysischen Hypothese
erbringen, nach welcher die verschiedenen unzähligen Erscheinungen
der Dinge nur temporäre Erscheinungen eines einzigen
, wesentlichen und dauernden Prinzips sind?
Das ist es, was die sog. supranormale Physiologie hinsichtlich
des Individuums beweist; die verschiedenen Organe er-
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