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Hänig: Lord L. Bulwers Roman: Zanoni. 311
blemen, ja er rührt sogar an die Grundprobleme des Okkultismus
und alles Lebens überhaupt Woher kommen wir und wohin
gehen wir? Was erwartet uns, wenn wir jene Schwelle des Todes
überschritten haben? Gibt es Nachrichten darüber und auf
welche Weise kann der Mensch in den Besitz dieser Erkenntnis
gelangen? Was wollte Bulwer mit diesem Roman und auf wrelchen
Grundlagen hat er ihn aufgebaut? Auf diese Frage gibt schon der
Anfang des berühmten Rosehkreuzerromanes, der eine Einkleidung
des Ganzen enthält, eine Antwort. Nicht der englische
Verfasser erzählt das Ganze, sondern er gibt an, den Roman nur
übersetzt zu haben, und zwar aus der Handschrift eines Gelehrten
, den er bei seinem Suchen nach Schriften über die Rosenkreuzer
1h. einem abgelegenen Antiquariat Londons kennen gelernt
hat. Obwohl er nichts unter den Büchern findet, durchl
das er seine Wißbegierde stillen könnte, ist doch sein Eifer nicht
vergebens gewesen: von dem alten Herrn, den er bald darauf
in seiner Wohnung aufsucht, erfährt er Näheres über den Gegenstand
seiner Forschungen, und er verspricht ihm, nach seinem
Tode ihm ein Manuskript zu hinterlassen, das ihm weitere Aufklärungen
über dieses Thema bringen soll: „eine Wahrheit für
die, die es verstehen können, und eine Phantasterei für die, die
es nicht imstande sind, die darin verborgene Tiefsinnigkeit zu
ergründen" (p. 12.) Wir erfahren deshalb auch in dem Werke
manches von den Anschauungen und Lehren dieses Ordens, und
der (angebliche) Verfasser des Manuskripts, in welchem wir un-
schwer Bulwer selbst wiedererkennen werden, behauptet geradezu
(8. Buch 5. Kap*), daß er als einziger seines Zeitalters in diese
geheimnisvolle Akademie zugelassen worden sei, womit jene oben
erwähnte Mitteilung seines Biographen zu vergleichen ist, die das
Verhältnis B.s zu den Rosenkreuzern betrifft; wir werden also in
der Wiedergabe der Lehren jener Rosenkreuzer, wie wir sie
schon bei der Analyse des ganzen Romanes kennen lernten, nicht
bloß Fiktionen Bulwers zu sehen haben, sondern Mitteilungen,
die, wenn auch vielleicht nur z. T. wirklich auf jenen vielumstrittenen
Orden zurückgehen. Was wir in dieser Hinsicht aus
dem Munde Zanonis erfahren (Forschungen über die Elemente,
die Zusammensetzung der Natur), wird in wertvollster Weise
durch die Unterweisungen Meynours ergänzt, die er im 4. Buche
dem Engländer vor seiner Einweihung zuteil werden läßt: durch
genaue Forschungen behaupteten die Mitglieder des Ordens die
Geheimnisse der menschlichen Natur entdeckt zu haben, und zu
der Erkenntnis gekommen zu sein, daß gerade die bescheidensten
und niedrigsten Produkte der Natur diejenigen sind, aus denen
sich die herrlichsten Wirkungen und Kräfte schöpfen lassen
(2. Kap.). So erweitert sich für sie der Mikrokosmus zum Makrokosmus
, indem eine geheimnisvolle Wahlverwandtschaft die
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