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Bohnstedt: Bemerk.«. Frage üb.: „D. viel leicht wahre Ziel d. Menschheit 323
von neuen anatomisch-pathologischen Einsichten getragen wird,
so hat er um so mehr ein Recht darauf, auch als Spiritualist gehört
zu werden.
Binige Bemerkungen lur Frage über: „Das vielleicht wahre
Ziel der Menschheit"
Von Charlotte Bohnstedt (Berlin-Steglitz).
Zu dem Artikel des Herrn Baron von Lore (genannt: Lore-Ley)
über: „Das vielleicht wahre Ziel der Menschheit", möchte ich mir
einige Bemerkungen erlauben, wie sie sich mir vom Standpunkt
meiner einfachen Betrachtungsweise aus aufdrängen. Der Herr
Verfasser ist der Ansicht: die Grundursache der Kriege sei die
unbewußte Erkenntnis der Massen und Staatsmänner, daß Nichtsein
dem Sein vorzuziehen ist; die Menschen führen Kriege, um
alles Leben auszurotten. — Die Frage, welche ich demgegenüber
auf werfen möchte, ist folgende: Wie läßt sich diese Philosophie
mit dem Selbsterhaltungstrieb in Einklang bringen, der
dem Menschen, überhaupt allen Lebewesen innewohnt. Ich halte
gerade den Selbsterhaltungstrieb, durch krassesten Egoismus
teuflischst ausgeartet, für die Ursache des Völkermordens, die
Sucht nach irdischem Besitz und Macht, letzten Endes des Daseins
halber. Auch die Idee vom Fortleben nach dem Tode, die
allen Völkern innewohnt, führe ich zurück auf den Selbsterhaltungstrieb
, auf das Auflehnen gegen die Vernichtung, und so
glaube ich auch, daß die Entscheidung über das Ziel der Menschheit
kommen wird, sobald endgültig Licht in diese Frage gebracht
ist. Sollte der Spiritualismus recht behalten, so würde das die
Erlösimg der Menschheit bedeuten; die Kriege würden meiner
Meinung nach aufhören, denn das Streben wäre auf geistiges
Wachstum und nicht auf materielle Güter gerichtet, auch Religionskriege
könnte es nicht mehr geben, weil wir statt des
Glaubens das Wissen hätten. Anders sähe es aus, wenn der
Materialismus den Sieg davontragen würde. Die Menschheit wäre
* dadurch ihrer Ideale beraubt, vielen, und* gerade den Besten
würde das Dasein nicht mehr lebenswert erscheinen, so würden
sie keine Fortpflanzung anstreben. Es würde ihnen gehen wie
dem Jüngling zu Sais, der die Wahrheit schaute: „Auf ewig war
seines Lebens Heiterkeit dahin, ihn riß ein tiefer Gram zum
frühen Grabe." Eine Menschheit würde bleiben, die nur noch
das Leben als Selbstzweck kennen würde. Eine solche Menschheit
aber, meine ich, könnte den Planeten nicht mehr lange beherrschen
, sie würde sich, hier stimme ich mit Herrn Baron von
Lore-Ley überein, durch die Macht des Intellektes den Untergang
selbst bereiten. Daß dies jedoch das Ende der Welt bedeuten
würde, glaube ich nicht, denn dann müßte es der
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