http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1920/0357
Clericus: Ein Spuk und seine Folgen. 343
unheizbar war. Dafür nahm ich zwei junge Männer mit, von
denen ich im Jahrgang 1917 S. 351 der „Psych. Studien" ein interessantes
, wohlbeglaubigtes telepathisches Erlebnis berichtet hatte.
Der eine von ihnen, Lehrer A., neigt allerdings etwas zur
Hysterie, ist aber für okkulte Einflüsse sehr empfänglich; zur
Kontrolle nahm ich noch Herrn N. mit, der durchaus zuverlässig
erst vor kurzem gesund aus englischer Gefangenschaft heimgekehrt
war. Wir fanden in dem Ortspfarrer einen sehr gut gebildeten
, kritischen Herrn, der von der okkultistischen Literatur das
Buch Grabinskis „Neue Mystik" gelesen, über Spukvorgänge sogar
einmal gepredigt hatte und die Vermutung äußerte, es könne
der Spuk vielleicht von einem der Söhne oder Töchter durch
Bewußtseinsspaltung ausgehen; denn Betrug hielt er für durchaus
ausgeschlossen. Leider trafen wir den Bauern nicht zu Haus.
Die Bäuerin machte einen sehr guten Eindruck, von den Kindern
waren die zwei ältesten Töchter von 17 und 16 Jahren, der älteste
Sohn von 15 und drei kleine Kinder anwesend. Der noch körperlich
und geistig frische 82jährige Großvater, der auch im oberen
Stock in der Nähe der Knechtkammer sein Zimmer hat, wollte
nie etwas Spukhaftes gehört haben. Die Bäuerin erzählte mir,
was ich oben aus dem Brief des Pfarrers schon berichtete und
fügte hinzu, daß, als sie einst untertags aus einem Mehlkasten
im oberen Stock Mehl entnehmen wollte, hinter ihr plötzlich ein
Geräusch sich hören ließ, wie wenn von der Decke herab Getreide
geschüttet würde. Sie drehte sich sofort um, sah und hörte
aber nichts weiter. Die Knechtkammer, vor der sich der Getreideboden
ausdehnt, war ganz leer, weil sie eben getüncht worden
war, die Tür ausgehängt. Ich fuhr am Nachmittag wieder
heim und war gespannt auf den Bericht der zwei jungen Leute,
die am nächsten Tag mich aufsuchten und erzählten, es habe sehr
schwer gehalten, bis der Bauer, der bereits von allen Seiten von
Neugierigen angegangen wurde und für den Ruf seines Hauses
fürchtete, die Erlaubnis zum Übernachten gab. Um ¥210 Uhr begaben
sich die beiden in die Kammer, in die die Bäuerin vorher
zwei Betten gestellt hatte. Mit der elektrischen Taschenlampe
ward der ganze Raum durchleuchtet. Die Tür blieb ausgehängt.
Die beiden setzten sich aufs Bett, die Uhr legten sie auf den Tisch.
Es zeigte sich nichts, und schon sagten sie sich lachend, sie seien
umsonst gekommen, als auf einmal über ihnen schwere Schritte
sich hören ließen, rings um sie aber begann ein eigenartiges
Knistern, das sich nicht auf den außen vor der Türe stehenden
Schrank beschränkte, sondern sich auch an den Wänden der Kammer
hören ließ. Sofort machten sie mittels der Taschenlampe
Licht und sahen auf die Uhr. Es war 10 Uhr. Nach einiger Zeit
glaubte N. einen großen dunklen Kopf draußen vor der Tür zu
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1920/0357