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Böhm: Neue Erkenntnisse für die Psychiatrie. 357
geblieben, war endgültig beseitigt und damit die Nachwirkung
des Traumbildes."
Traumbilder können sowohl durch körperliche Reize auf die
Sinnes- oder inneren Organe (z. B. bei Funktionsstörungen), als
auch durch frühere Vorstellungen, Gedanken und durch seelische
Erregungen Zustandekommen. Persönlichkeiten, Tiere, Naturvorgänge
, gesellschaftliche Gebräuche, alltägliche oder besondere
Ereignisse und anderes, was in einem wirklichen Erlebnis oder
auch nur in einer gesehenen oder gehörten Darstellung eine
Rolle spielte, können als Symbole in den scheinbar lang
dauernden, tatsächlich aber oft nur Sekunden beanspruchenden
Träumen verwendet werden. Meiner Ansicht nach sind die Mäuse
und Ratten beim Säuferwahnsinn ebenso als typische Traumgebilde
und Nachwirkungen der Alkoholreize im Gehirn anzusehen
, wie die Einbildung eines an Größenwahn Erkrankten, eine
königliche Hoheit zu sein, die anhaltende Selbstüberhebung kennzeichnet
Folgendes Beispiel soll den möglichen Hergang kurz
beleuchten:
„Eine Dame macht sich heftige Vorwürfe, weil sie in ihrer Geschwätzigkeit
über jemand etwas ausgesagt, was zu Unannehmlichkeiten
führte. In einei Nacht träumt sie von diesem peinlichen
Erlebnis, aber als Symbol für ihre Geschwätzigkeit tritt ein
Papagei auf; sie selbst ist in diesem Traum der Papagei. Bleibt
nun dieses Traumbild nachwirkend bestehen, so kann die Zwangsidee
erscheinen, sie sei ein Papagei."
Der ausgezeichnete Kenner und Schilderer japanischen Lebens,
Lafcadio Hearn, erzählt in seinem Buche „Kwaidan" wörtlich
: „Der chinesische Gelehrte, der in Japan unter dem Namen
Söchu gefeiert wird, träumte einmal, er sei ein Schmetterling
und hatte in diesem Traume alle Empfindungen eines Schmetterlings
. Als er erwachte, blieb die Erinnerung und die Empfindung
des Schmetterlingsdaseins so lebhaft in ihm, daß er nicht mehr
als menschliches Wesen handeln konnte." Das altnationale,
ästhetische Gefühl für Schmetterlinge und dessen Ausdruck in
Kunst, Literatur und Gebräuchen spielt im Chinesischen und Japanischen
eine große Rolle. Insbesondere besteht der Glaube,
daß die menschliche Seele Schmetterliugsgestalt annehmen kann. '
Wenn man die Verschiedenartigkeit der Wahnvorstellungen berücksichtigt
und anderseits die Mannigfaltigkeit der Traumsymbole
kennt, die sowohl optischer als akustischer Art sein können,
so wird man hier auch den Schlüssel für das erstmalige Auftreten
mancher Gesichts- und Gehörhalluzinationen haben. Besonders
ist die Entstehungsmöglichkeit solcher Art dann zu erwägen, wenn
dem erstmaligen Auftreten dieser krankhaften Erscheinungen ein
hypnoider Zustand unmittelbar vorherging.
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