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374 Psychische Studien. XLVII. Jahrg. 7. Heft. (Juli 1020.)
weit als ein sich bewußtes Ichgefühl im sich bewußten Selbstbewußtsein
.
Doch gewohnt zu betrachten schwebte mir immer noch das
reine gefundene und geschaute Ich in meinem Selbstbewußtsein
vor meinem geistigen Auge, so daß ich manchmal in die unbewußte
Befangenheit der Ichbetrachtung geriet. Wenn auch
nicht mehr sofort der bewußtseinsraubende Zustand hervor-
geruien wurde, so wurde aber dadurch das Herannahen des
quälenden Selbstbetrachtungszustandes gefördert und mit dem
Ringen mit dem Verluste des Bewußtseins gedroht. Da ich
jedoch mein Ich nun erkannt habe, so wußte ich stets sofort,
daß ich nun wieder unbewußt in die objektive Selbstbetrachtung
des Ichs geraten bin, sobald diese quälenden Seelenzustände
entstanden sind, und konnte mich dann jedesmal zugleich von
den psychischen Vorgängen und ihren Ursachen wie sie bei der
Epilepsie, Schwermut, Zwangsideen und beim bösartigen Wahnsinn
obwalten, volle Klarheit verschaffen.
Während meiner Seibstbetrachtung des reinen Ichs in
meinem Selbstbewußtsein ohne den Bewußtseinspiegel, war mir
Gelegenheit geboten, noch weitere psychische Vorgänge zu erleben.
So versank ich oft bei Zweifeisfragen unbewußt in die
Ichbetrachtung ohne Bewußtseinsspiegel unter der vollen Aufrechterhaltung
des Ichbewußtseins und zwar dadurch, daß ich
diese Zweifelsfrage in der Betrachtung des reinen Ichs im Selbstbewußtsein
zu lösen suchte. Wollte ich nun tiefer in diese
Z weif eisfrage eindringen, so endete dieses Eindringen in die
Tiefe cer Betrachtung des Ichs im Selbstbewußtsein und da ich
aber mein Selbstbewußtsein vollständig aufrecht erhielt, so
bildete das geschaute Ich in mir ein zweites Selbstbewußtsein,
weshalb ich das Gefühl hatte, als ob ich, meine Person, ver-
zwreifacht wäre und sich mein Ich doppelt in meinem Bewußtsein
abspiegelte und ferner immer im Zweifel war, welches Ich
mein wirkliches war. Als ich nun in mein zweites gesehenes
Ich geistig eindringen wollte, drohte mir die Lossagung von
der Außenwelt und ich rang mit dem Verluste des Bewußtseins
bei vollem Selbstbewußtsein. Wenn ich auch dann den Kampf
mit dem Verluste des Bewußtseins überwunden hatte, so war
ich immer noch befangen von dem Blicke* in das zweite Ich =
Nicht-Ich, in das zweite Selbstbewußtsein, und ich hatte das
Gefühl, wie wenn ich alles doppelt sehen und fühlen würde,
da eben mein Ich sich doppelt selbstbewußt war.
Diese psychischen unheimlichen Vorgänge dauerten aber nie
lange, da ich in meinem Bewußtseinsspiegel, den ich mir dann
immer gleich erzeugte, mein wirkliches Ich gleich wieder fand,
wenn auch nachher noch befangen von der Ichbetrachtung ein
Traumzustand hervorgerufen wurde; ich glaubte, das Gefühl
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