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454 Psychische Studien. XLVII. Jahrg. 9. Heft. (Sept. 1020.)
„Vaterländischen Museums" (Hamburg, bei Friedrich Perthes,
1810, Seite 462) „ Briefe über Gripsholm", datiert Stockholm, den
16 Juni 1810, veröffentlichte, in denen des Aktenstücks über eine
\ ision Karls XL im Jahre 1676 Erwähnung getan wird, das in
Schwedeu abschrittlieh zirkulierte und in zahlreichen Übersetzungen
auch in andern Ländern verbreitet wurde. Der unbekannte
Verfasser der erwähnten Briefe bemerkt dazu, daß, als
König Gustav Adolf im Jahre 1809 vom Thron ins Gefängnis
wanderte und auf Offenbarungen und Weissagungen baute, die
Zeit so trüb und trostlos war, daß sie Gesichte und Gespenster
geradezu zeugen mußte, zumal da das Schicksal selbst als ein
erbarmungsloser und blutiger Würgengel mit dem geweihten
Mordschwerte umzugehen schien. Er erwähnt dann in diesem
Zusammenhang die Vision Karls XL und nennl sie „ein altes Gespenstermärchen
, das schon lange durch einige Hände als politische
Seltenheit lief, ohne daß man seinen Ursprung wußte, wiewohl
einige erzählten, es sei aus einer im Reichsarchiv befindlichen
Originalurkunde abgeschrieben. In diesen letzten Jahren
hatten sich mit dem Glauben an das Ungeheure und Schreckliche
auch die Abschriften vervielfältigt." Mit diesen Worten bringt der
Verfasser deutlich zum Ausdruck, daß er nicht an die Echtheit der
angeblichen Urkunde glaubt die er nun in dem ihm bekanntgewordenen
Wortlaut veröffentlicht. Dieser weicht zum Teil
wesentlich von der im Aprilheft der „Psych. Studien" veröffentlichten
Darstellung ab, die mir übrigens auch aus andern Quellen
bekannt ist. Auch die mit der Sache in Zusammenhang gebrachten
Personen tragen durchaus andere Namen. So läßt die Darstellung
in den „Psych. Studien" die Schauergeschichte passieren, „während
der König abends vor dem Kamin saß und sich mit seinem
Kammerherrn Graf Brahe und mit seinem Leibarzt unterhielt".
Nach dem WTortlaut der erwähnten „Urkunde" trat das Ereignis
jedoch ein, „als der König nachts ^12 Uhr erwachte und von ungefähr
seine Augen auf das Fenster des Reichssaals warf". Er
sah diese leuchtend und machte den „Reichsdrost B j e 1 k e"
darauf aufmerksam, der mit ihm im Zimmer war. Ähnliche / "V
weichungen finden sich mancherlei in den beiden Darstellungen,
besonders stark aber in den Namen der beteiligten Personen. In
der neuerdings veröffentlichten Fassung sind außer dem König
noch der Graf Brahe, der Leibarzt Baumgarten und der Kastellan
Zeugen der Vision gewesen, nach der angeblichen Urkunde jedoch
Reichsdrost Bjelke, Reichsrat Bjelke, Reichsrat Oxenstjerna und
Vizewachtmeister Peter Gransien. Es würde zu weit führen, noch
näher auf die Abweichungen der Texte einzugehen. Sie zeigen
jetzt schon, wie wenig Vertrauen die ganze Geschichte verdient.
Charakteristisch sind vor allem die auseinandergehenden Erklärungsversuche
. In der Darstellung der „Psych. Studien" wird
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