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470 Psychische Studien. XLVII. Jahrg. 9. Heft. (Sept. 1920.)
Das Ichbewußtsein, das wahre Wesen der Geisteskrankheiten.
Von Ernst Hildegard Lang.
(Scaluü von Seite 378.)
jL 11 ♦
Was ist nun also eigentlich das Ich? Das Ich, das Gefühlselement
und Lebenskraft zugleich, ist ein geistiger Punkt,
der die Fähigkeit besitzt, fortwährend Bewußtsein zu erzeugen,
wobei es sich seines erzeugten Bewußtseins und des im Bewußtsein
erscheinenden Ich als Gefühlselement, jedoch nur als
Gefühl bewußt ist (Selbstbewußtsein), also rtine Bewußtseinsmaschine
.
Das Ich kann aber nur in unmittelbarer Verbindung mft
den Eindrücken der Außenwelt direkt klarbewußtes Bewußtsein
erzeugen. Also ist das Ich auf die Eindrücke der Außenwelt
direkt behufs seiner bewußten Existenz angewiesen. Da unser
Ich ein sich selbst bewußter Teil des Ichs der ganzer; Außenwelt
ist, wie überhaupt diese in vielen unzähligen Ichteilen in
Gestalten von Menschen und Tieren sich bewußt abspiegelt,
so ist auzh unser Ich ein Produkt der Außenwelt, weshalb ich
das Ich ohne Außenwelt und ohne die Eindrücke, die das Ich
ins bewußte Leben rufen, nicht betrachten kann, da ich meinen*
Ich die Quelle und die Entstehung nehme, wenn ich ihm die
dieses Ich erzeugende Außenwelt vorenthalte.
In welchem Moment beginnt das bewußte Leben des Ichs,
das klare Bewußtsein? In dem Augenblick, wo das Ich bewußt
e.nen einzigen Eindruck der Außenwelt in sich aufnimmt
(Einzelvorstellung), an dem sich blitzartig mehrere Eindrücke
anschließen, die immer mit den vorhergehenden im
Bewußtsein aufgenommenen Eindrücken sich bewußt verbinden
zu einem einzigen Gesamteindruck, an den sich wiederum
Eindrücke und Gesamteindrücke anschließen zu einem neuen
Gesamteindruck (Individualvorstellungen). Der Tchfunke als
eine Einheit kann nur immer einen einzigen Eindruck bezw.
einen einzigen Eindruck der Summe mehrerer bewußt gewordener
Eindrücke der Außenwelt (Gesamt ein druck) in sich
aufnehmen. Das Ich kann nie sich mit einem einzigen Eindruck
begnügen und den weiteren Anschluß von Eindrücken
verweigern wollen, denn der Ichfunke, der die Außenwelt zu
seinem bewußten Dasein .unbedingt nötig hat (Lebensinhalt des
Ichs) und der funkenartig, also blitzesschnelle fortwährend einen
Eindruck nach dem andern bewußt in sich aufnimmt und die
aufgenommenen Eindrücke unter sich bewußt zu einem Gesamteindruck
verbindet, würde nach der blitzartigen Aufnahme
eines einzigen Eindruckes der Außenwelt, wenn mit demselben
weitere nicht mehr verbunden würden, sich in sich selbst ver-
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