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484 Psychische Studien. XLVH. Jahrg. 9. Heft (Sept. 1920.)
seinen Gang gegen die Weingärtnische Schule zu nemen pflege?
Die Erzälung kam von einem Nachtwächter her, der sich keineswegs
fürchte, weil er ehedem ein wohl versuchter Soldat gewesen;
der noch dazu nicht nur seinen Hund zum Zeugen anfüre, der als-
denn ihm zwischen die Beine kröche, den Schwanz einziehe etc.,
sondern auch sich selbst zum Beweise machte, da er einmalen
dem Mönch ungebürlich begegnet, und dafür von ihm jämmerlich
zugerichtet wrorden sey, daß ihn einige benachbarte Leute aus
Mitleiden aufgehoben und zu sich genommen hätten. Ohnerachtet
ich nun dieser Ansage und Frage sehr wichtige Gründe entgegen
setzte, weil ich durchaus dergleichen Geschäfte der Gestorbenen
leugne, und meine Schüler ausdrücklich zu einer festen Überzeugung
zu bringen suche, dis als Regel anzunemen; (die angebliche
Exception überlasse ich der Ehre eines jeden;) so gab ich
doch dem Studiosus die gleichsam von mir gesuchte Erlaubnis, daß
er nicht nur ohne Sünde, sondern auch zur Ehre Gottes solche
Dinge selbst untersuchen möge, wenn er übrigens wegen der Kälte
in dieser Nachtzeit, und wegen seiner Lebensart, sich keines phy-
sicalischen Schadens zu befürchten hätte. Ich redete daher ganz
umständlieh mit ihm, wie er sich seines rechten Bewrußtsevns ge-
wis versichern solle, ob er gleich einen Officier Hrn. von--
nannte, der auch bei dieser Untersuchung seyn wollte. Seine Vorstellungen
müsse er vorher gleichsam alle in Reihe und Ordnung
setzen, eben der Sache wegen, zumal alle Gegengründe, um desto
leichter nur auf die rechte Ursache einer Erscheiuung (in ihm
selbst) Achtung zu geben. Er solte folglich in der Gegend schon vorher
ab- und zugehen, alle Winkel, Bäume, Mauern, Gräben, Steine
etc. wahrnehmen; mit sich selbst, wenn er ja allein gienge, wirklich
so laut reden, und zwar um andrer Leute willen, lateinisch, daß er
auch das Gehör fest hielte wider andre Empfindungen. Glaube
er nun, von da an diesen kleinen Mönch zu sehen, so solte er ganz
bedächtig darauf zugehen, lateinisch fortreden, denn wenn es ja
einen so kleinen Mönch, (einen Zwerg beschrieb man, noch nicht
zwrey Ellen hoch) gegeben hätte, so müßte er Latein reden können;
er sollte gerade vor der Gestalt stehen bleiben, und nun die Hände
ohne Frechheit, um sich nichts vorzuwerfen, wirklich zum gewissen
Gefüle brauchen, und nun erst erwarten, ob er wirklich
von einer fortgehenden Bewegung dieser Figur sich überzeugen
könnte. Nach einigen Abenden kam der Studiosus an einem
Sonnabend kurz vor Mittagessen wieder und versicherte mir, daß
es seine Richtigkeit hätte. Er habe alles beobachtet, seie weiter
vorgegangen, als seinGefärte; habe sich der kleinen Figur entgegengestellt
, ihr recht zugesehen; ganz deutlich einen geschornen
Kopf, tiefgehende Augenlöcher, aber keine Hände gesehen, die in
der Kutte gesteckt hätten. Er habe sowohl ein Kreuz auf der Brust
hängen sehen, als einen Strick um die Mitte, dessen Enden er
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