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528 Psychische Studien. XLVII. Jahrg. 10.—11. Heft. (Okt.-Nov.192D.)
Zöllners Leichtgläubigkeit sagte, daß sie „in geringfügigen Dingen
unsere physikalische Beobachtungsgabe ve$rauensvoll in Anspruch
nehmen, sich aber im vorliegenden Falle nicht scheuten, uns
Bauernregeln für die Anstellung exakter Beobachtungen zu erteilen
". Und war es bei Crookes, dem berühmten Erfinder,
nicht ebenso? „UM Crookes, ibi lux", war ein Schlagwort seiner
Zeit für den Gelehrten. Als er aber Dinge behauptete, welche in
dem Gehirne der „Aufgeklärten" nicht Platz fanden, scheute man
sich nicht, dem so bewunderten Forscher vorzuwerfen, sich drei
Jahre lang vou einem jungen Mädchen in plumper Weise täuschen
zu lassen. Saneta simplicitas! Auch von den in größeren Städten
auftauchenden Bestrebungen, die alte breitgetretene Straße der
materialistischen Denkungsweise zu verlassen und die okkultistischen
Phänomene wenigstens würdig zu halten, unter die wissenschaftliche
Lupe genommen zu werden, ist wenig zu hoffen. Will
man doch das von Autoritäten, wie Crookes, Zöllner, du Prel,
Myers, Hyslop, Morselli, Schrenck-Notzing und vielen anderen gelegte
„Fundament nur als nicht nachprüfbare Berichte ansehen und
neu beginnen." Man zweifelt nach wie vor an der Realität der
Phänomene und glaubt, dieselben erst beweisen zu müssen. Nun,
das ist ein weiter Weg, der die Forschung um fünfzig Jahre zurückschraubt
und die wertvollen Ergebnisse, welche bis heute unumstößlich
erreicht sind, preisgibt um die trügerische Hoffnung, Resultate
zu erzielen, die besser in das wacklige Haus der materiali-
stischen und monistischen Weltanschauung passen.
Aber die Erscheinung ist nicht neu. W a 11 a c e, der berühmte
Verteidiger des Spiritualismus, ein Gelehrter, der mit
Darwin den Ruhm als größter naturwissenschaftlicher Forscher
der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts teilt, gafb folgende
Erklärung ab, die anmutet, als sei sie heute geschrieben: *)
„Bei jeder anderen experimentellen Untersuchung wird ohne
Ausnahme die Bestätigung der Tatsachen eines früheren Beobachters
als eine so große Vermehrung ihres Wertes erachtet, daß sie
niemand mehr mit derselben Ungläubigkeit behandelt, mit welcher
sie das erste Mal, da sie angekündigt wurden, hätten aufgenommen
werden können. Und wrenn die Bestätigung von drei bis vier unabhängigen
Beobachtern unter günstigen Bedingungen wiederholt
worden ist und nichts weiter als eine Theorfe oder ein negatives
Zeugnis dagegen steht, so werden die Tatsachen zugestanden —
wenigstens vorläufig, und bis sie durch ein größeres gewichtiges
Zeugnis widerlegt werden, oder bis die genaue Quelle der Täuschung
der vorhergehenden Beobachter entdeckt ist. Aber hier
wird ein total verschiedener — ein höchst unvernünftiger und unphilosophischer
Weg verfolgt. Jede frische Beobachtung, welche
*) Wallace, Verteidigung des modernen Spiritualismus pag. 47.
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