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572 Psychische Studien. XLVII. Jahrg. 10.—11. Heft. (Okt.-Nov. 1920.)
(Hellsehen, Schauen in die Zukunft) nachgewiesen worden, während
sie die materialistische Denkweise von vornherein in Abrede
stellte — der Gedanke der Unsterblichkeit und der Vergeltung
nach dem Tode ist durch dm Nachweis Durvilles, daß
schon zu Lebzeiten des Menschen diesem ein selbständiger
Körper eigen ist, zur tatsächlichen Möglichkeit «erhoben worden.
Die Priorität des Geistigen über das Körperliche, die die Voraussetzung
des christlichen Glaubens ist, fängt durch diese Forschungen
an, mehr als wahrscheinlich zu werden, aber sind wir
dadurch der endgültigen Lös/umg dieser Fragen, die gerade in
der jetzigen Epoche der Menschheit einen ungeheueren Fortschritt
bedeuten würde, aoich nur um einen Schritt näher gekommen
? Ist dadurch die Unsterblichkeit bewiesen, wie es nach
Durville möglich zni sein scheint, oder das Nachleben nach dem
Tode, das als Voraussetzung dazu anzusehen ist? Es *st bezeichnend
, daß Aksakow am Ende seines grundlegenden Werkes über
„Animisanius und Spiritismus" gerade diese Frage verneint, luiid
die Entscheidung darüber, ob eine bis ins einzelne mit der Wirklichkeit
übereinstimmende Geistermanifestation für die Identität
beweisend ist oder nicht, der inneren Erfahrung, d. h. also der
gefühlsmäßigen Entscheidung zuweist. Wir sind, was die Durvilleschen
Versuche betrifft, in der angenehmen Lage, beinahe
mit Sicherheit behaupten zu können, daß tatsächlich im Mensoton
ein selbständiger geistiger Körper besteht, der alle Funktionen
des Denkens, Empfindens usw. ausübt; aber beweist diese Tatsache
, daß er wirklich als solcher nach dem Tode weiterleben
muß, aimd zwar als Träger des bewußten Ich, das den Zerfall des
physischen Körpers überdauert? Kann es sich nicht auch bei
diesem Körper (cf. die Ausführungen darüber in R. Steiners Geheimlehre
im Umriß) um ein Entwieklungsprodukt früherer
Mewschheitsepochen handeln, wie sie auch in »unserem physischen
Körper vorhanden zu sein scheinen? Wir sind auch hier nicht
imstande, allen Einwänden zu begegnen, «soweit diese als logisch
überhaupt Berechtigung haben, und das Wesentliche einer wissenschaftlichen
Erklärung ist doch gerade die Tatsache, daß sie
allen Einwänden, die ihr gegenüber gemacht werden können,
Trotz bietet — sie sinkt sonst zur Hypothese herab, sofern wir,
wenigstens in dem betr. Falle, imstande sind, das Mehr oder
Weniger der Wahrscheinlichkeit nach der uns zu Gebote stehenden
Erkenntnis abzuwägen.*)
*) Bezeichnend ist es jedenfalls, daß es bisher der experimentellen
okkulten Forschung auch nicht in einem einzigen Falle gelungen ist,
ein Ereignis auf diesem Gebiete einwandfrei zu deuten, und es muß
schon als ein sehr günstiges Ergebnis gedeutet werden, wenn es uelingt,
die betr. Frage auf zwei Möglichkeiten ihrer Erklärung zurückzuführen,
wie das z. B. bei Erscheinung von Sterbenden (Telepathie oder Entsendung
eines f einst offlieben Körpers) der Fall ist, die entweder beide
oder wenigstens eine der transzendenten Welt angehören. Dagegen
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