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574 Psychische Studien. XLVII. Jahrg. 10.—11. Heft. (Okt-Nov. 1920.)
Liegt in dieser Erkenntnis ein Grand, ihm seine Berechtigung
abzusprechen oder deshalb weniger zuversichtlich in die
Zukunft zu sehen? Ich glaube nicht, aber ich glaube, daß eine
Erörterung über diese Fragen wenigstens in einer doppelten
Hinsicht nützlich sein kann: »um vor einer Uebersohätzung *ron
Hypothesen auf diesem Gebiete zu warnen, die die Lücken
unserer Erkenntnis ausfüllen sollen und auf die Tatsache hinzuweisen
, daß die treibenden Kräfte auch auf okkultem Gebiete
nicht in der verstandesimäßigen Forschung liegen, sondern im
gefühlsmäßigen Erleben, das von jeher in der Welt der Mystik
zum Ausdruck gekommen ist. Erst der Mystiker fühlt sich jenseits
der Welt des Denkens, die wie ein Spinnengewebe ihre
Jünger nur allzu leicht irreführt und zu dem Wahne verleitet,
dort neue Erkenntnisse vor sich zu haben, wo es sich nur um
die Funktionen des eigenen Denkens handelt. Eine Erkenntnis
der jenseitigen Welt, die wir die okkulte nennen, wird immer
nur ein Bruchstück bleiben und sich nur mehr oder weniger dem
Ziel nähern können, das sie sich gesteckt hat. Nur eine richtige
Erwägung dieser Tatsachen wird uns eine Antwort geben können
auf die Frage, welchen Schwierigkeiten wir hier begegnen und
welche Hoffhungen uns bei der Fahrt nach dem unbekannten
Lande die Wege weisen können.
Weltordnung und Völkerschicksal
von
Albert B e n c k e, München.
Die europäische Menschheit steht beute unter einem furchtbaren
Druck; äußerer Mangel und innere Gärungen arbeiten zusammen
, um die physischen und geistigen Lebensbedingungen immer
mehr herabzudrücken und uns scheinbar einem kulturellen und
moralischen Tiefstande entgegenzuführen. Ich sage „scheinbar",
weil kein menschliches Auge die Wirrgänge des Schicksals zu entschleiern
und damit zu erkennen vermag, was denn eigentlich aus
dem heutigen Chaos entstehen könnte, ob denn nicht aus dem,
was sich uns heute als ein völliger Zusammenbruch darstellt, doch
noch eine schönere Zukunft erblühen könnte, Von zwei Gesichtspunkten
aus können wir das Schicksal des Einzelnen und der
Völker betrachten; nämlich vom Gesichtspunkt dessen aus, der
an eine Weltordnung, an unverbrüchliche Gesetze, die auch in der
Welt des Moralischen und Geistigen herrschen, glaubt oder vom
Gesichtspunkt jener, die solche Gesetze nur in der körperlichen,
greifbaren Natur, also nur in der WTelt der eigentlichen sogenann-
44. Jahrg. 1917); die Schwierigkeit, einen einwandfreien Beweis für das
bewußte Leben nach dem Tode aufzustehen, habe ich in dem Aufsatze:
„W andlungen auf dem Gebiete dersog. Geheim wissen
Schäften" auseinandergesetzt: Psych. Studien. 42. Jahrg. 1915
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