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Tischner: Ludwig Aub. Eine p»sychoL-okkult. Studie. 605
für die Echtheit seiner unterbewußten Fähigkeiten, daß er nicht
gleichmäßig arbeitet, und daß er Tage und Stunden hat in denen
die Quellen des Unterbewußtseins weniger r*eich fließen; — in
Röhren fassen und emporpumpen läßt sich diese Quelle nun einmal
nicht, — es fehlt dann die Triebkraft, und die Mühle würde
stehenbleiben, wenn nicht die Dampfkraft des Verstandes einen
dürftigen Notbehelf und Ersatz steilen würde.
Gelegentlich einer Handschrift, die ihm ein Bekannter zeigte,
ohne zu sagen, von wem die Schriftprobe stamme, sagte Aub,
daß die betreffende Person sich mit Selbstmordgedanken trage.
Der Bekannte lachte darüber, aber sechs Wochen später hatte
die Schreiberin der Zeilen ihrem Leben ein Ende gemacht.
Einer Studentin sagte Aub, ihr Vater habe die Gewohnheit gehabt
, wenn er mit jemand sprach, die Brille in die Höhe zu schieben
und die Person unter der Brille hervor anzuschauen. Die
Studentin mußte das voll Verwunderung bestätigen, diese Bewegung
, die ihr Aub außerdem vormachte, sei für den Vater
durchaus kennzeichnend gewesen.
Ein andermal sagte er auf Grund eines Briefes eines Herrn,
der Betreffende liebe besonders Schumann und habe eine große
Vorliebe für feine Spitzen, was wörtlich zutraf und gewiß bü
einem Mann ungewöhnlich ist. Einem Herrn sagte er sofort beim
Eintritt, er sei verlobt, und zwar mit einer Dame aus Thüringen.
Einer Dame, die ihn aufsuchte, rief er sofort entgegen: „Sie sind
hellseherisch begabt, Sie müssen Charakterologin werden!" —
Diese Dame, die sich gerade in einer Krisis befand und nicht recht
wußte, was sie anfangen sollte, war mit der Absicht zu Aub gegangen
, um ihn zu fragen, ob sie seiner Meinung nach zur Charakterologin
Anlage habe. Sie hat dann in der Tat diesen Beruf ergriffen
und übt ihn mit bestem Erfolge aus. Der ganzen Sachlage
nach war es ausgeschlossen, daß Aub von dieser Absicht auf
irgendeinem Wege erfahren haben konnte. Hier liegt wohl die
telepathische Übertragung auf der Hand, denn die Besueherin
war ganz von dem Drang erfüllt, über den einen Punkt Klarheit
von Aub zu erhalten.
Ein Herr K., Kandidat der Medizin, teilt mir folgendes mit: Ich
hatte mich unter falschem Namen und falscher Berufsangabe angemeldet
, nach einigem Warten kam Herr Aub plötzlich aus
seinem Zimmer zu mir und sagte sofort im Wartezimmer, in dem
ich allein gewesen war: Sie studieren Medizin, interessieren sich
besonders für Psychologie und Okkultismus, haben Sinn für Musik
(unter Betasten der Schläfen-Scheitelgegend), vor allem liebext
Sie Mozart. Der Vater war auch Mediziner. Alles das war völlig
zutreffend. Später folgte dann die eigentliche Konsultation, in
der Aub das Vorgehen eines sehr geschickten Psychologen zeigte.
An meiner Meinung nach offenbar übernormalen Angaben erwähne
ich, daß er mir sagte, mein Großvater sei Landarzt bei Stettin
gewesen, was zutrifft. — Aus der Sprache des Herrn K. ist
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