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Bode: Zur Lösung des MenschenrätseJs.
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welches als über- und zwischenindividuelles Medium
den Animismus und jedenfalls auch die Instinkthandlungen vermittelt
. Die (individuell, personamäßig konzentrierte) seelische
Materie ist als das „überphysdsche Substrat des Menschen der
Träger der Persönlichkeit und der persönlichen Kräfte." (Kaindl.)
IV.
In seinen „Vorlesungen über Deszendenztheorie" hat Aug.
Weismann zu beweisen versucht, daß vom einzelnen Organismus
durch äußere Einflüsse erworbene Eigenschaften nicht auf
die Nachkommen übertragen werden. Die Körperzellen dienen
nach Weismann nur dem Individuum, sie vergehen, und nichts
was sie betrifft, kann sich vererben. Die Keimzellen dagegen
sind das beständige, beharrliche, konservative Moment
im Leben der Art, sie dienen der Art, sie dauern an, sind gleich*
sam unsterblich und werden von einer Generation zur andern
weitergegeben. Vererbbar sind nach Weismann nur die Veränderungen
des Keimplasmas. Wo immer eine vererbbare Veränderung
am Individuum auftritt, muß das Keimplasma
irgendwie verändert worden sein.
Da sich die Geschlechtsorgane beim Menschen schon frühzeitig
' während des embryonalen Stadiums bilden, so ist hiermit die
physische Grundlage, das physische Substrat für die obenerwähnte
„Kontinuität der Psyche in der Generationsreihe" gegeben. Ohne
auf die gegen den Lamarkismus gerichtete Polemik Weismanns
einzugehen, wrerden wir — iia Übereinstimmung mit seiner zuletzt
angeführten These — sagen können, daß eine Abänderung der
ererbten individuellen Eigenart nur von einer bleibenden Änderung
(Modifikaion) der seelischen Komponente der zellenstaat-
liehen Dynamik ausgehen und nur auf Grund einer entsprechenden
Abänderung der polaren Keimplasmakonzentration vererbt
werden kann. Daß die ererbten Eigenschaften und Fähigkeiten
eines Menschen schon in der psychischen Materie der bezüglichen
elterlichen Geschlechtszellen als „Anlagen1" enthalten und begründet
gewesen sein müssen, ist selbstverständlich.
Die Individualität eines Menschen als ein phyletisches Ergebnis
beruht — wenn wir den gesamten individuellen Komplex an Vorstellungen
, den Gemüts- und Willenscharakter und die Fähigkeiten
zusammenfassen und zusammen betrachten —, auf einer
ganz bestimmten phyletischen Ladung und Kon»'*
zentration seiner psychischen Materie, und dieser Zustand
teilt sich — mutatis mutandis — der polaren Keimplasma-Konzentration
seiner Geschlechtszellen mit: die (im Augenblick der
Empfängnis durch die Kopulation der elterlichen Generations-
zellen sich vollziehende) individuelle Synthese ist vorbereitet
. Daraiui allein beruht die in der Regel unverkennbare
physische, geistige, gemütliche (charakterische) Ähnlichkeit der
Kinder mit den Eltern (bzw. Großeltern), — worin wir einen ge-
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