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16 .Psychische Studien, XLVUI. Jahrg t. Heft. (Januar 1921.)
Vorhandensein einer in jedem von uns lebendigen höheren Persönlichkeit
ergibt, weiche sich in Zuständen der Hypnose zu
äußeru veranag und welche die Göttlichkeit der menschlichen
Seeh- im Sinne der mystischen Weltanschauung aller Zeiten zu
oew^Uen scheint. Ähnliches hatte schon Carl du Prei in seiner
tiefgründigen Philosophie der Mystik 1885 auf Gnund somnam-
Duler Tatsachen geschlossen. Verwandte Oedanken finden sich
bei Schopenhauer, Kant Meister Eckhart, Plato und Buddha« Die
\om Materialismus geleugnete Göttlichkeit der menschlichen
Seele wird wenigstens von einem Teil unserer modernen Wissenschaft
wieder anerkannt. Die Tatsachen des wissenschaftlichen
Okkultismus, wie sie in vorbildlich methodischer Weise besonders
von der englischen Society for Psychical Research gesammelt und
untersucht werden, eröffnen uns eine völlig* neue Welt. Es ist
vielleicht noch zu früh, Schlußfolgerungen darauf aufzubauen.
Aber wer die Gesamtheit der Tatsachen unvoreingenommen
überschaut, wird sich kaum dem Eindrucke enfriehcni können,
daß der von den Religionen bisher gelehrte Glaube an das Fortleben
der Einzelseele dadurch eine mächtige Stütze erhält. Wer
möchte jetzt noch nach Häckels Art die Welt, ohne geistige Spitze,
durch Zufall entstanden, das organische und geistige Leben durch
Zufall und äußeren Kampf ums Dasein gebildet denken?
Häckel hatte den Menschen zur Maschine, zu einer Art Phonographen
erniedrigt und diesem Phonographen dabei doch die
Ideale des Wahren, Guten und Schönen gesteckt. Begriffe wie
Lebenskraft, Seele, Gott, waren die Zielscheibe seines Spottes
gewesen. Daß seine an sich brüchige Philosophie (nicht zu verwechseln
mit seinen verdienstvollen zoologischen Forschungen)
durch die Tatsachen des V.talismus und wissenschaftlichen
Okku/ltismus vollends vollständig umgestürzt würde, konnte er
freilich in der Blütezeit des Materialismus, der seine Welträtsel
und fernerhin auch Schriften wie „Der alte und der neue Glaube"
von D. Fr. Strauß entstammen, nicht ahnen.
Die seine berechtigten zoologischen Grundgedanken einseitig
ablehnende Kirche mag ihn wesentlich in seiner materialistischen
Weltanschauung bestärkt habeu. Ohne es zu wollen, fördert
ia die Orthodoxie den Materiaiismus, indem sie ihm scheinbare
Rechtsgründe für seine Bekämpfung einer geistigen Auffassung
der Welt liefert.
Auf der Grundlage des Materialisnus ruht nun die Sozialdemokratie
. Für sie, ähnlich wie für den Kapitalismus, gibt es
nur diesseitige Ziele. „Vollmenschentum" nennen e?^ die Führer,
Jasset uns essen und trinken, denn morgen sind wir tot", so be=
tätigen es die Massen. Im Bolschewismus zieht der Sozialismus
seine letzten Konsequenzen. Er führt zum Bestialismus, zum Zu*
sammenbruch jeder Kultur, wie wir es in Rußland sehen.
Wie ist demgegenüber «u helfen? Äußere Maßregeln, Anwendung
von Gewalt, reichen nicht aus, bewirken nur das Gegen-
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