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Bode: Zur Lösung des Menschenrätseis. 29
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Ulf Grund einer untergeschobenen ,Selbstveränlwortliehkeit"*)
>inander richten! Dabei habe ich noch nicht einmal von der Beengtheit
der empirischen Sittlichkeit durch das Mittel (milieu)
1er Umgebung und die herrschenden Lebensverhältnisse gesprochen
! Denn wenn auch die Psyche als Quasi-Kontaktsystem
im bezeichneten Sinne gewissermaßen ihre eigene Kausalität hat,
,o ist diese Kausalität doch so gut ein eingeordneter („integrierender
") Bestandteil der allgemeinen Weltkausalität wie die
(etwas anmaßend) „Individualität" sich nennende phyletisQh erreichte
Konzentration der seelischen Materie von der gesamten
W e 11 m a te r i e (im transzendental-realistischen Sinne) nicht
zu trennen ist.
Die Moral auf Grund des Remkarnismus (oder der individuellen
Präexistenzlehre) und die Moral auf Grund der natürlichen oder
phylotischen Seelenlehre stehen zueinander in einem unversöhnlichen
, — fast könnte man sagen: kontradiktorischen Gegensatz,
— wie Feuer und Wasser, wie Tag und Nacht wie schwarz und
weiß. Die Lehre, daß der Mensch in seiner Präexistenz sich sein
Karma selbst 'bereitet und also sein Schicksal verdient hat (nach
du Prel soll er es sogar gewollt haben —), muß ethisch das Gefühl
der Gleichgültigkeit gegen den Mitmenschen erzeugen und
das natürliche Mitgefühl mU fremdem Leid abstumpfen; sie
wäre der Tod des ethischen Invertisun.us.
Auf dem iuvertistischen Grundsatz und Grundgedanken, daß die
sittliche Erhebung (die „göttliche" Entwicklung) der Menschheit die
Schaffung gesunder, göttlich-gesetzmäßiger Lebensverhältnisse zur
allerersten Voraussetzung habe, wurde uns von Seiten jener
Kreise, bei denen die „Arbeit an der eigenen Entwicklung4'* im
Mittelpunkte des Interesses steht, folgende Belehrung zuteil: Die
Welt, wie sie ist, ist die beste Korrektionsanstalt für Individual-
geister, und die ethische Vervollkommnung des menschlich-individuellen
Materials wird durch die Reilikarnationen bestens besorgt
. --Nein, — die wahre Liebe ist das ni'cht! Ich
denke, die wahre Liebe zum Nächsten muß begründet sein 1. auf
der Erkenntnis und dem Verständnis der vollständigen phyleti-
schen und sozialen Bedingtheit des einzelnen und seiner (empirischen
) Sittlichkeit, 2. auf der Einsicht in den physi^-»metaphysischen
Zusammenhang, in die ^Kontinuität", Homogenität und
Wesenseinheit der Menschen im besonderen. In beiden Richtungen
muß die remkarnistische Begründung der religiösen Sittlichkeit
als unzulänglich bezeichnet werden.
In der Tat hat die monotheistisch konstruierte Sittlichkeitslehre
(Ethologie) der Selbstverantwortlichkeit oder „Willensfreiheit
" die Probe aufs Exempel schlecht bestanden, — wie
der europäische Status zeigt. Nachdem die „Willensfreiheit
" auf physischem Boden ndcht mehr zu halten war, hat
*) Die europäisch-privatisti sehe Unverantwortlichkeit gibt sich in
einem schönen Mänteichen als ,.Selbstverantwortlichkeit".
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