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Tischner: Raphael Schermann.
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rend die telepathische Verbindung allüberallhin sich erstreckt
und über unsere Erde hinaus ins Unendliche, von wo
unserer Seele auf telepathischem Wega auch das Wissen und
damit unserem Geist vorläufig wenigstens ein Ahnen zukommt
von jenem allgewaltigen, inöaßbaren Etwas, das wir — wenn es
nicht unser Geist mit einer anderen Beziehung besser zu erfassen
glaubt —- Gott nennen. Aber auch da werden wir mit Begriffs-
bezeidhnungen aller Art in der Erkenntnis um keinen Schritt
weiter kommen, wenn wir nicht vorher das Mißverhältnis in der
Kräftebewertung und Kräfteverwertung in uns beseitigt haben,
wenn wir nicht vorher zu der Einsieht gelangt sind, daß wir in
den Fähigkeiten unseres Geistes nicht eine Neues erschaffende
, sondern nur eine Seiendes verwertende
Kraft besitzen, und gelernt haben, dies aus dem unerschöpflichen
Wissen unserer Seele herauszuholen
. Würden wir hierin rechtzeitig und verständnisvoll
geschult, würden wir nicht im Gegenteil dazu angelernt, die seelischen
Hilfsmittel gering zu schätzen und die Regungen der
Seele unbeachtet zu lassen, wir würden ganz andere Resultate
aufzuweisen haben, als mit unserer einseitig geistigen Hochbildung
, die uns die Erkenntnis und das Leben erschwert.
Wenn ich durch diese kurzgefaßten Ausführungen zum Verständnis
der Telepathie beigetragen, im übrigen aber zu unparteiischem
Nachdenken, unbefangener Selbstprüfung und selbstlos
kritischer Betrachtung angeregt habe, ist der Zweck meiner Dai-
legung erreicht. *'
Raphael Sehermann.
Von Dr. med. R, Tischner (München).
Über den Wiener Hellseher Raphael Sehermann ist bisher
leider fast nichts, was strengen Anforderungen entspricht, veröffentlicht
worden. Soweit mir bekannt, haben nur Psychiatrieprofessor
Fischer in Prag (Wiener klin. Wochenschrift 13. Juni
1918) und Prof. Benedikt („Zeit" 6. September 1918) über ihn
berichtet, aber das auch nur ganz kurz ohne ausführliche Belege.
Neuerdings ist nul). ein kleiner Aufsatz von ür. med. Cattani in
der „Schweiz" 1918 Heft 8, erschienen, der auch Abbildungen
bringt, so daß man jetzt aus eigener Anschauung sich ein Urteil
bilden kann. Schermann ist ein Beamter, in den Vierzigern stehend,
übrigens wie Ludwig Aub Jude. Seine Spezialität ist es, wenn
er einen Menschen zum erstenmal sieht, die Handschrift nachzuahmen
, die er, wie die Abbildungen der Arbeit zeigen, vielfach
in ganz eindeutiger Weise nachahmt, meist ist es keine photographisch
genaue Nachbildung, das Kennzeichnende der Schrift
ist aber meist außerordentlich gut getroffen. Das ist aber nicht
alles! Er leistet dasselbe auch, wenn man an einen Bekannten
denkt; auch dann kann er die Schrift getreu nachahmen. Aber
es wird noch verwickelter! Auch wenn man die Schrift des
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