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Groskopff: Spiritismus oder Telepathie? 51
ursprünglich steckte, nämlich den Materialismus bzw. die mechanistische
und energetische Weltanschauung, wie sie heute tonangebend
ist, zu beseitigen, m. E. nie erreichen.
Die Telepathie, mit der man die angeblichen Geisterstimmen
erklärt, kann als Beweis für die Unsterblichkeit der Seele nicht
herangezogen werden, weil man den Vorgang ja in der Weise
erklärt, daß unsichtbare Strahlen von dem Gehirn eines Menschen
ausgesandt und von einem andern gleichgestimmten Gehirn
aufgenommen werden. Allerdings läßt sich ein Fall wie der im
Eingang dieses Briefes erwähnte nicht gut auf diese Weise erklären
.
Die Erscheinungen Sterbender, an deren Tatsächlichkeit bei den
vielen Fällen, die von zuverlässigen Zeugen beobachtet wurden,
wohl nicht m zweifeln ist, beweisen ebenfalls nichts für ein
Weiterleben des Menschen, weil es eben Erscheinungen Sterbender
und nicht Verstorbener sind» Es wäre ja möglich
, daß ein Mensch bei dem Gedanken an den Abschied von
geliebten Personen vor dem Eintritt des Todes in Exaltation gerät
und dann solchen entfernten Personen auf noch nicht erklärbare
Weise erscheinen kann. Die infolge dieser Erregung dann eintretende
Erschöpfung könnte eventuell unmittelbar nachher den
Tod zur Folge haben. Die sogenannte Teleplastik würde vielleicht
ähnlich vor sich gehen.
Die Erscheinungen bereits Gestorbener, die ja bei weitem
nicht so oft beobachtet wurden wie die eben erwähnten, mögen wohl
in der Regel durch Täuschungen und Halluzinationen optischer
und akustischer Art infolge von akuter oder chronischer Nervenüberreizung
ziu erklären sein. Werden sie von mehreren Personen
zugleich beobachtet, so tritt die Suggestion hinzu. Aus eigner
Erfahrung weiß ich, daß derartige nervenüberreizte Personen
sehr oft als solche gar nicht erkannt werden, wenigstens nicht
von Laien, so daß auf die oft angeführte Behauptung, die Beobachter
der Erscheinung seien ganz normale gesunde Personen,
nicht viel zu geben ist. — Der Versuch der Nachweisbarkeit der
Unsterblichkeit durch den Okkultismus hätte also nur zu negativen
Ergebnissen geführt.
Könnte nicht einmal baldmöglichst in den „Psych. Studien"
Stellung genommen werden zu vorstehenden Ausführungen und
insbesondere der im Eingang des Briefes von mir angeführte Fall
einer nähern Beleuchtung aus sachkundiger Feder unterzogen
werden? Ich selbst — und ich glaube mit mir viele andere ^~
wären sicherlich, dankbar dafür. Die Frage nach der Unsterblichkeit
der Seele und deren Nachweisbarkeit ist es doch bei weitem
in erster Linie, welche die Menschen interessiert und nur, wenn
der Okkultismus hierin mehr zu bieten vermag als andere
Wissenschaften, wird er Fortschritte machen. Hochachtend
G. Groskopff, Forstrat.
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