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Zeller: Der siderische Pendel als somnambules u. Spiritist. Problem. 67
Sedleys, ihre Hoffnungen zerstörendem Briefe nähert sich sogar
Beckys Halblinkslinie zur Bezeichnung ihrer gedrückten Stimmung
der Vertikale an.
Der Querstrich (von Kallenberg Osl-Weststricb genannt und
dort auf das moralisch Schlechte im allgemeinen bezogen) bedeutet
nach meiner Erfahrimg vor allem starkes Gefühl für Liebe
und Haß, hebt sich der Strich etwas nach links, so mit Lüge, nach
lecbts, so mit Beschränktheit verbunden. Gemildert erscheinen
die genannten Eigenschaften, wenn sie durch in gleicher Richtung
gehende Ellipsen bezeichnet werden (von mir besonders bei der
Halbrechts-, Halblinks« und Querellipse festgestellt). Gesteigert,
wenn sie sich zu einem ganz kurzen Strich oder gar zum Punkt
zusammenziehen (Pendelstarre, z B. bei heftigem Haß, bei mir
stets verbunden mit einem sehr unangenehmen, oft geradezu
schauerlichen Gefühl im Finger). Bei schwerer Krankheit ebenfalls
Pendelstarre und entsprechendes Gefühl im Finger.
Simiiichkeit oder starkes Temperament wurde bei Frauen, die
sonst normalerweise nur eine vertikale Ellipse erhalten, durch
einen Kreis zum Ausdruck gebracht, so z. B. bei der Liebeskrank
en von Jan Steen (Knackfußmonographie S. 102 und 105),
deren Krankheit außerdem durch den Vertikalstrich und deren
Verliebtheit durch die Querellipse bezeichnet wurde (ähnliches
auch bei entsprechenden Rembrandtbildern beobachtet). Bei
Männern, z. B. in dem Bild „Schlechte Gesellschaft" von Jan
Steen (a. a. 0. S. 85), wird die ausgesprochene Sinnlichkeit durch
kleiner werdende Kreise angedeutet. Pendelstarre bedeutet
auch hier, übereinstimmend mit den Feststellungen Kallenbergs,
einen äußersten Grad. Sonst bezeichnet der Kreis beim Mann,
wie dies längst auch von anderen bestätigt wurde, das normale
,,mämiliche Temperament", um mich der Ausdrucksweise der
Pendelintelligenz, die ich später erhielt, zu bedienen, wobei
Stärke des Ausschlags und Größe des Kreises Unterschiede begründen
. Nach allen Seiten wechselnde Ellipsen und ungeregelte
Figuren sind ein Zeichen für unruhiges, zerfahrenes Wesen.
Die Reihenfolge der genannten Figuren ist nicht ohne Zusammenhang
mit der Charakteranlage. Nach dem zuerst erfolgenden
Tntelligenzstrifh meldet sich sofort die hervorstechendste
Eigenschaft der betreffenden Person. Dabei folgt der Pendel
den wechselnden Zuständen und Stimmungen des Menschen ganz
genau. So ließ ich mir eine Zeitlang jeden Abend durch Führung
des Pendels über meine linke Hand eine Art moralisches Zeugnis
über den vergangenen Tag ausstellen, wobei ich immer wieder
die außerordentliche Strenge und Gerechtigkeit der Beurteilung
im höchsten Maße bewundern mußte. Bei Kindern und bei
alten Leuten fand ich dauernd so ziemlich denselben Ausschlag,
bei alten Leuten, wie dies auch Kallenberg feststellt, einen
wesentlich schwächeren als bei jungen, kräftigen. Beim selben
Menschen in der Jugend und in späterer Zeit völlig verschiedene
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