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08 Psychische Studien. LXV1II. Jahrg. 2. Heft. (Februar) 1921.
Ausschläge, so z. R. über der Handschrift eines Knaben von etwa
10—11 Jahren völlig andere als über der derselben Persönlichkeit
ate Erwachsenem. Ich füge hier, dem Späteren vorausgreifend
, das soeben (28. 11. 20) vom Pendel im einzelnen bestimmte
Bild des betreffenden jungen Menschen bei. Es ist im
wesentlichen ungünstig und stark disharmonisch. Eine im
12. Jahre erfolgte religiöse Bekehrung wird bereits durch einzelne
, dem übrigen völlig widersprechende Züge angedeutet. Ein
eitler, nichtsnutziger, dabei äußerlich unbeholfener Mensch, nicht
ohne früh erwachtes, höheres, jedoch einseitig pietistisches
Streben. Die Haupteigenschaften sind: „Eitelkeit, Ichsucht, Anmaßung
, Macherei; zu Himmel schweben unü öfters edler Verzicht
auf irdische Freuden, jedes Schöne eitel Quälerei; Schwäche
des Schauvermögens, d. h. Kurzsichtigkeit; keine Strenge des
Meldens" (!), d. h. nicht genug Festigkeit, und kein Herz für
Leidende; öfters quälerische Manieren im Verkehr mit Höherstehenden
; Pflichtvergessenheit; tödliche Redeunfähigkeit; magere
Vorzüge auf dem Gebiet des Intellekts/4 Ich kann versichern,
daß jeder dieser wenig erfreulichen Züge ganz genau stimmt,
nur wäre ich von mir aus niemals dazu gekommen, diese Form
der Charakteristik zu wählen, ein sicherer Beweis dafür, daß
beim Zustandekommen der Pendelaussagen, wie wir später hören
werden, eine völlig andere Intelligenz als die meinige beteiligt
sein muß.
Bezüglich der Kreise und kreisähulichen Figuren bemerke ich
noch, daß auch die Richtung der Kreise bzw. ein etwaiger Wechsel
in der Richtung von Bedeutung für die Bestimmung des Charakters
ist. Kreise von links nach rechts (im Sinne des Uhrzeigers)
bedeuten „normale** Beschaffenheit des Charakters, Kreise im
umgekehrten Sinn, oder Wechsel in der Richtung der Kreise bedeutet
, wie mir «der Pendel soeben erklärt, „Schwäche des Charakters
". Durch vielfache Beobachtung hat sich mii diese Deutung
zur Gewißheit bestätigt.
Daß nicht nur Bilder und Handschriften, sondern auch beliebige
Stellen in Büchern, ja auch in Noten bestimmte, sehr charakteristische
Kreise, Ellipsen und Striche auslösen, sei hier nur
fairz angedeutet, z. B. über fröhlich gehaltenen, sonnigen Stücken
von Bachs wohltemperiertem Klavier erhielt ich von links nach
rechts gehende Kreise, über sehr ernsten und traurigen dagegen
Vertikalstriche.
So kam ich schließlich dazu, mir auf Grund eines Buches, ja
schließlich sogar durch den bloßen Gedanken, ohne jede Unterlage
, ein Gesamtbild einer Persönlichkeit, z. B. Schopenhauers
und Nietzsches, zu entwerfen. „Über Nietzsche, über Schopenhauer
, über Rudolf Steiner erhielt ich überaus charakteristische
Urteile, über letzteren wurde ein geradezu erschütterndes Verdikt
ausgesprochen. Die einzelnen Urteile, die der Pendel, den
ich unter Zuhilfenahme des Alphabets über ihn befragte, aus-
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