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86 Psychische Studien, XL VI IL Jahrg. 2. Heft. (Februar 1921.)
wizze Pein, Qual; so nennt das niederbayerische Volk den
Spuk) sei im Dorfe längst bekannt. Manche seiner Vorgänger
hätten darunter zu leiden gehabt. „Verschiedene glaubwürdige
Personen versichern hoch und teuer, den Geist gesehen zu haben,
so daß man unmöglich alles das ins Reich der Täuschung verweisen
kann " Nach der Aufzeichnung sollen zwei der Kapuziner
am ersten Tag der Mission abends gegen lAd Uhr zum Fenster
des oberen Eckzimmers hinausgeschaut haben, als sie plötzlich
auf dem anstoßenden Friedhof einen seltsam gekleideten Mann
sahen. Den Patres fiel diese Gestalt sofort aaf. Sie war in Holzschuhen
, trug lange Socken, sehr schäbige Hose und eine rote
Weste. Darum heiße die „Waiz" im Dorfe allgemein „der Rot-
leiblete". Während die Patres .den Mann vom Fenster aus betrachteten
, verschwand er, stand aber plötzlich bei ihnen im
Zimmer, ging sogleich wieder hinaus und auf die Bodenkammer,
von der herab ein Geräusch hörbar wurde, als ob man Getreide
in Säcke fülle und diese immer auf dem Boden aufstoße. Bald
darauf sahen die Patres die Gestalt wieder im Friedhof, wro sie
verschwand. Das Pfarrhaus war bis 1844 Bauernhaus. Der jetzige
Pfarrer ging 1916 nur mit bangem Herzen nach D., weil er von
der „Waiz" schon gehört hatte. Aber er merkte von derselben
nichts bis zum Februar 1917 . Da aber ging es daun an. An fünf
oder sechs Sonntagen in der Frühe um 3 Uhr w.urde mit schweren
Schlitten auf dem Gang des oberen Stockwerks herumgegangen
und mit aller Wucht an die Schlafzimmertür des Pfarrers gepocht.
Auf dessen Frage, was es gäbe, erfolgte keine Antwort, es war
dann immer wieder alles ruhig. Harrer L. sprach mit niemand
darüber und glaubte immer noch an eine Sinnestäuschung, bis
am 17. März 1917 ein Besuch im Pfarrhaus ihn fragte, wer denn
nachts im Gange umhergetappt sei und an seine Tür gepocht habe.
Etwa drei Wochen später hörte er früh 3 Uhr von der anstoßenden
Bodenkammer eine weinerliche Stimme: „Laß mich naus.
laß mich naus." Seitdem war Ruhe, über den jetzigen Aufenthalt
der vier Kapuziner wußte Pfarrer L. nichts.
Ich brachte aber doch in Erfahrimg, daß zwei derselben
gestorben waren, zwei noch leben in A. und N. Nun wandte ich
mich an diese. Pater 0. schrieb mir am* 16. November: „Mein
Erlebnis kann ich Ihnen kurz mitteilen. Abends — es war
Sommerzeit — ging ich ruhig zu Bett. Um 12 Uhr hörte ich eine
Person mit festen Holzschuhen über die Treppe herauf zum Dachboden
gehen. Von dort hörte ich einen gewaltigen Schlag, als
wäre ein Dachbalken niedergefallen. Am Morgen waren Herr
Pfarrer und meine Mitbrüder bei der Frage, wie ich geschlafen
hätte, etwas befangen. Wir nahmen gemeinsam die benedictio
domus vor, worauf die ganze Missionswroche ruhig verlief. Vor
und nach der Mission war es aber gar nicht geheuer im Hause."
Der andere Pater F. schrieb mir, er selbst habe damals weder
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