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Hänig: Ludendorffs Kriegserinnerungen im Lichte des Okkultismus. 95
möglich sein. Aber auch dann wird noch manches der Ergänzung
bedürftig sein, was mit jenen gefühlsmäßigen Unterströmungen
zusammenhängt. Es gilt an der Hand von Berichten selbst aus
den kämpfenden Massen (also Kriegstagebüchern von Offizieren
und Mannschaften etc.) nicht nur manche Einzelheit auszufüllen,
sondern auch ein Bild zu gewinnen von dem seelischen Zustand
der Kämpfenden und dem Einflüsse, den dieser im Zusammenhang
mit der Massenpsychologie auf den Gang der Ereignisse
gehabt hat. Gerade von okkulter Seite ist hier schon manches
zur Sammlung des Materials getan worden. Den Okkultisten wird
hier besonders der Aberglaube des Soldaten (z.B. der Fatalismus
) interessieren, der während des Krieges eine so große Rolle
gespielt hat. Dazu sind auch die Kriegsprophezeiungen zu
rechnen, die zum Teil auf Volksglauben vor dem Kriege beruhen
und die zu einem der interessantesten Kapitel dieses Wissensgebietes
gehören. Gerade in dieser Hinsicht kann uns aber das
erwähnte Werk L.s ein wertvoller Führer sein. Sind wir doch,
wie erwähnt, gerade an der Hand dieser Darstellung imstande,
die großen Tendenzen und Kausalketten im Verlaufe dieses Geschehens
zu übersehen, die auch in jenen Prophezeiungen eine
so große Rolle spielen. Eine Ordnung dieses Materials, das
heute in großer Menge, wenn auch zerstreut, vorliegt und eine
Vergleichung mit dem wirklichen Verlaufe des Krieges kann hier
wesentliche Aufschlüsse für das Wesen dieser Prophezeiungen
und des zweiten Gesichtes, ja für die Lösung des Kausalitätsproblems
und des Problems der Willensfreiheit bringen. Es
handelt sich also zunächst um die Sammlung dieses Materials,
an zweiter Stelle um die Feststellung der großen Kausalketten
im Verlaufe des Krieges mit ihren Wirkungen und Gegenwirkungen
und an dritter Stelle um die wichtige Frage, welche
Schlüsse aus der Vergleichung dieses Materials für die Fragenach
dem Wesen der Prophezeiungen und des zweiten Gesichtes
7ii ziehen sind.
Natürlich ist es unmöglich, auch nur einigermaßen das ganze
Material zu übersehen, das hierbei in Betracht kommt. Es haben
deshalb im folgenden nur die wichtigsten von denjenigen Prophezeiungen
Berücksichtigung gefunden, die in dieser Zeitschrift wiedergegeben
sind, so daß eine Nachprüfung leicht möglich ist.*)
Darüber hinaus bleibt noch vieles zu tun, besonders was die Sammlung
von solchen Voraussagen betrifft, die im Volke selbst entstanden
sind, obgleich auch hier manches Wesentliche in den
wiedergegebenen enthalten ist. Ganz wertlos sind zunächst (I)
die Prophezeiungen post eventum, d. h. die erst nachträglich das
*) Hinsichtlich der Werke über Kriegsprophezeiungen sei auf die
Angabc von E. W. Dobberkau im Zentralblatt für Okkultismus,
11. Jhrg., 9. Heft, verwiesen sowie auf zur Bonsen: Die Prophezeiungen
zum Weltkrieg 1914/16, Köln a. Rh. 1915, über die Grundlagen der
Prophezeiungen überhaupt s. besonders M. Kemmerich: Prophezeiungen
, und W. Bormann: Die Nornen.
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