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98 Psychische Studien. XLVIII. Jahrg. 2. Heft (Februar 1921.)
Tatsachen Schlüsse auf das Wesen solcher Voraussagen machen,
wie sich an den betr. Beispielen ergeben wird.
An zweiter Stelle steht die Sammlung und Verarbeitung des
Materials über den Krieg selbst, soweit dieses für die hier gestellte
Aufgabe nötig ist. Es handelt sich also zunächst darum,
einen Überblick über die Hauptereignisse zu gewinnen, damit
mit diesen diejenigen Prophezeiungen verglichen werden können,
die sich ebenfalls auf den ganzen Krieg beziehen. Erst dann
wird sich in vielen Fällen an der Hand der Wahrscheinlichkeitsrechnung
ein Urteil fällen lassen. Gerade das Ludendorffsche Buch
kann hier gute Dienste leisten, da es eine solche brauchbare
Übersicht über die Haupttatsachen gibt und auch die Kausalität
aufdeckt, wodurch die Ereignisse an den verschiedenen Kriegs-
Schauplätzen miteinander zusammenhängen. Auch diese werden
wieder in solche Vorgänge zu zerlegen sein, die entscheidend
für die Folge gewesen sind und solche, die nur untergeordnete
Bedeutung haben. In erster Linie kommen hier auch heute noch
die großen Feldschlachten in Betracht, von denen auch der Weltkrieg
eine große Anzahl aufweist, obgleich gerade hier vielfach
eine Wendung zugunsten des Grabenkrieges eingetreten ist. Sie
sind gewissermaßen die Punkte, deren Verbindung jene großen
Kausalreihen ergeben, in die der Krieg zerfällt (z. B. die Offensive
in Rußland, der Defensivkrieg im Westen, die Frühjahrsoffensive
in Frankreich 1918) und deren Summe erst das Ganze
des Weltkrieges ausmacht. Ist dies festgestellt, so läßt sich auch
die Rolle ermitteln, die die einzelnen Länder während des Krieges
gespielt haben, ein Umstand, der für die Vergleichung dieses
Materials mit den Prophezeiungen besonders wertvoll ist. Allerdings
wird gerade hier Vorsicht am Platze sein, da es gerade
bei solchen summarischen Urteilen naheliegt, an ein Erraten zu
denken, das mit einer gewissen Kombinationsgabe verbunden
ist. Erst ein Vergleich dieser Urteile untereinander kann hier
die Entscheidung bringen.
Der zweite Gesichtspunkt, unter dem das Tatsachenmaterial
des Weltkrieges zu ordnen ist, betrifft jene großen Kausalreihen
selbst, aus denen sich das Ganze zusammensetzt. Es sind also
solche Reihen festzustellen und dazu diejenigen Momente des
Kriegsverlaufes, die hier entscheidend für den weiteren Verlauf
der Dinge geworden sind. Das betrifft z. B. militärische Ereignisse
, die bei einer Offensive so entscheidend gewesen sind, daß
sie den Höhepunkt dieser Kausalreihe darstellen und leicht einen
Frieden hätten herbeiführen können, wenn nicht von anderer
Seite eine Gegenwirkung eingetreten wäre. Wir werden uns
also hierbei vor allem an die kritischen Momente des Krieges
halten müssen, in denen tatsächlich der Friede nahe war und
bei denen er nur durch Hinzutreten einer Bewegung von anderer
Seite (meist Eingreifen einer neuen Macht in den Krieg) verhindert
worden ist. Solche Momente hat es nach Ludendorffs
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