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Hänig: Ludendorfis Kriegserinnerungen im Lichte* des Okkultismus. 159
nebeneinander) oder haben wir auch hier nur edne Einsieht in
den kausalen Verlauf der Dinge anzunehmen, deren Fehler nur
auf einer mangelhaften Beobachtung beruhen? Eines läßt sich
dabei jedenfalls sagen • eine falsche Zahl spricht an sich ebenso
für jene erste Deutung wie für die zweite, da es im ersten Falle
in der Natur der Sache läge, daß Zahlen überhaupt schwer zu bestimmen
sind, während man im letzteren Falle einfach an einen
Oeobachturgsfehler denken kann, der in der Nichtbeachtung
weniger wichtiger Kausalitätsketten (in unserem Falle die Ereignisse
zwischen dem letzten richtig wahrgenommenen Ereignisse
vor der Flucht und der Belagerung von Tsingtau) zum Ausdruck
kommt. Sind dagegen alle sonstigen Zahlenangaben
richtig (worüber wir leider nichts erfahren) und nur die^e eine
falsch, so wird man eher auf jene zweite Deutung gewiesen: es
ist leichter einzusehen, daß der Betreffende, wie schon angegeben
, eine weniger wichtige Kausalreihe übersah und deshalb
jenes für ihn ungünstige Ereignis zwei Jahre zu früh ansetzte, als
daß er alle anderen Vuigänge richtig mit Jahreszahlen fixierte
und gerade bei dem wichtigsten, der Einnahm^ von Tsingtau, es
an genauer Beobachtung fehlen ließ. Ähnlich liegen die Verhältnisse
auch in dem zweiten Falle (Flucht statt Gefangennahme
), obwohl die Annahme, daß auch hier eine ungenaue Beobachtung
vorliegt, leicht zu der ersten Deutung der Visionen usw.
führen könnte*); auch hier ist an sich leichter der Fall denkbar
, daß der Pater eine weniger hervortretende Kausalreihe (die
Ereignisse, die zu seiner Gefangennahme führten) zugunsten eines
späteren, für ihn ungünstigen Ereignisses, das besonders seine
Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen mußte, übersehen habe, als
daß er alle (in Wirklichkeit nebeneinander verlaufenden) Vorgänge
richtig und gerade dieses, das ihm selbst so nahe lag, falsch
beobachtete. —
(Schluß folgt.)
*) W. Bormann weist in einer gehaltvollen Abhandlung (Vorausschauen
und Wahrsagen, Freiheit und Schicksal, Ps. St., 28. Jhrg.,
4. Heft, p. 204 ff.) mit Recht darauf hin, daß fehlerhafte Angaben an
sich noch nicht gegen die Annahme sprechen, daß der Seher die Ereignisse
gleichzeitig nebeneinander wahrnimmt, da sehr wohl die
Möglichkeit denkbar ist, daß er sein Perzeptionsvermögen mehr auf die
einen, als die anderen Ereignisse einstellt, aber man müßte doch dann
erwarten, daß die fehlerhaft wiedergegebenen Vorgänge solche sind, die
weniger im Bereich seines Interesses liegen, was gerade bei den hier
angegebenen Visionen durchaus nicht der Fall ist. Daß die Seher
viele dieser Wahrnehmungen in Form von Bildern machen, läßt sich
übrigens ungezwungen daraus erklären, daß sie in diesen Zuständen
dem Urzustände der Menschheit näher sind als der normale Mensch;
auch das Kind denkt bekanntlich lange Zeit optisch, d. h. in Bildern,
während das abstrakte Denken sich erst beim Erwachsenen einstellt.
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