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228 Psychische Studien. XLVIII. Jahrg. 4.-5. Heft. (April-Mai 1921.)
gewöhnlich Gewichte vom fünffachen Betrage des Körpergewichtes
Coulons hebt konnle den Boxer nicht vom Boden
bringen und hatte die Empfindung, mit dem Gewicht einer Tonne
(---. 2000 Pfund) izai ringen.
Der berühmte Physiologe Charles Rieh et hat aas Phänomen
in seinem Laboratorium zu erforschen versucht. Die Experimente
wurden mit allen Mitteln der modernen Technik und im
Beisein mehrerer hervorragender Gelehrten ausgeführt. Hierbei
wurde festgestellt: 1. daß es sieh um keinerlei Trick handelt;
2. daß man von einer Suggestion auf den die Hebung des Boxers
versuchenden Mann nicht sprechen kann; 3. daß das Phänomen
nicht in einer Vermehrung des Körpergewichtes Coulons besteht,
sondern in einer Art von Verminderung der Muskelkraft seines
Gegners. Und sonderbar, Richet hat gefunden, daß diese Verringerung
der muskulären Kraft verhältnismäßig irn so größer
ist, je stärker derjenige ist, der Coulon zu heben versucht.
Die Versuche sind noch im Gange, und es beteiligen sich an
den Experimenten außer den Männern der Wissenschaft auoh
Sportsleute. Bis jetzt hat sich ergebeti, daß die Stelle am Halse
und am Handgelenk, auf welche Coulon leicht seine Finger legt
— übrigens nach einigem Tasten — je nach dem Individuum,
das die Hebung versucht, wechselt. Es ist weder die Stelle der
Drüse oder -des Knochens, sondern jene der peripherischen Nerven
. Wenn man, wie Richet es vorgeschlagen hatte, „Kette" bildet
, d. h. wenn mehrere Personen sich die Hände geben und der
Erste am Halse und der Letzte der Reihe von Coulon am Handgelenk
berührt wird, so erscheint das Phänomen mit derselben
Intensität, mit der es bei dem Ersten und Letzten der Kette wirken
würde, wenn er den Boxer zu heben versuchte. Das Ergebnis
war dasselbe bei einer Kette von sieben Personen. Man hat
sogar festgestellt, daß das Phänomen eintritt, wenn die Kette gebrochen
ist, d. h. wenn zwei der Experimentierenden in der
Kette die Hände lösen, ein Umstand, der den Vorgang noch mysteriöser
macht.
Die Gelehrten behalten sich ihre Meinung noch vor. Interessant
ist die Ansicht M. J. Joseph-Renauds, eines Technikers
für Sport, welcher den menschlichen Mechanismus in allen Einzelheiten
kennt: Renaud glaubt, daß Coulon gfewisse Nervenzentren,
die dem Anatomen noch wenig bekannt sind, beeinflußt, so daß
hierdurch die Muskelkraft aufgehoben oder doch vermindert
wird. Die Japaner, welche in dieser Hinsicht weiter sind als wir,
können z. B. die Wirkung von Nervenzentren geschickt benützen,
die wir gar nicht kennen. Sie hüten sich, die Sache zu lehren
und halten diesen Teil ihres Nationalsportes geheim, den Renaud
das ,,esoterische Jiu-Jitsu" nennt, wie auch jene seltsame Kunst,
entkräftete und bewußtlose Mensehen wieder zu beleben (Kuatsu
genannt). Renaud sah, wie der berühmte Myaki Kolosse mit
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