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Colsman: Leib und Seele im Kosmos der Welt
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Erklärung ©ine p s y c h o - monistische, wesentlich dahin gehend,
daß die Welt der Erscheinung, des groben Stoffes nichts ist, als
sich betätigende Kraft mit den inneren Eigenschaften, der Empfindung
, des Geistes; oder umgekehrt: die Empfindung, der Geist
nichts anderes, als die Welt der Erscheinung von innen gesehen.
In der Tat »glaube ich, daß es so ist, und wie mich eigenes Erleben
und Denken je länger je mehr dahin geführt hat, so wird
Ähnliche« von einigen unserer bedeutendsten neueren Philosophen
, wie vor allem Schopenhauer und Wundt, vertreten.
August Messer sehreibt darüber in seiner vielseitigen und bei
aller Kükze tiefgründigen „Philosophie der Gegenwart" (Quelle
& Meyer, 2. Aufl. S. 65/6): rDas Wesen des Ich, d. h. «des Seelenlebens
, sieht Wundt wie Schopenhauer im Wollen. . . . Und diese
Metaphysik ist zugleich monistisch. Sie sucht die Zweiheit des
Physichen und Psychischen, bei der die empirische Betrachtung
der Einzelwissensch&ften Halt machen muß, zu überwinden, indem
sie lehrt, daß für die metaphysische Betrachtung sich auch das
Physische als psychisch, nämlich als Wille, darstellt. Das Seelische
aber will er (Wundt) — wras nach ihm besonders Bergson mit Entschiedenheit
verfochten hat — als reines Geschehen, als „Aktualität
" fasisen. Der Begriff der ,.Substanz" soll nur für das
Physische anwendbar sein;... es gäbe keine von den einzelnen
Bewußtsednsvorgängen verschiedene „Seele". Und für die kansale
Erklärung der seelischen Vorgänge gelte nicht das Prinzip der
Aeqiuivalenz von Ursache und Wirkung, d. h. nicht das von der
Erhaltung, sondern das vom Wachstum der Energie; denn
die geistigen Entwicklungen gestalteten sich (extensiv) immer
mannigfaltiger, und ebenso nähmen (intensiv) die dabei geschaffenen
Weite stets zu,"
leb glaube, wie gesagt, auf Grund eigenen Denkens und Erlebens
, daß solche Auffassung des Verhältnisses von Seele und
Stoff der Wahrheit nahe, sehr nahe kommt. Doch scheint mir
darin ein Irrtum zu liegen, daß Wundt der Seele, eben wTeil er
-ie als reine „Aktualität", lediglich als eine Summe von inneren
Vorgängen auffaßt, die Fähigkeit, den leiblichen Tod bewußt zu
überdauern, durchaus abspricht. Und in dieser Beziehung gerade
möchte ich neue Gedanken und Anregungen bringen.
Die Aktualitätslehre findet sieh nicht nur bei Wundt, steht im
Gegenteil bei den neuzeitlichen Philosophen und insbesondere
bei den Psychologen in großem Ansehen. Der Glaube an die
Möglichkeit eines Fortlebens nach dem Tode ist darum in diesen
Kreisen ein wenig verbreiteter. Und doch scheint mir, daß hier
Erweiterung, Schärfurg und Vertiefung des Blickes möglich und
geboten ist. Die Schwierigkeit liegt nur darin, die Aktualitätstheorie
, falls man sie als richtig anerkennen muß, so erschöpfend
in ihrer Wesenheit und zugleich so einschränkend üi
ihrer Bedingtheit zu fassen, daß sie der Gesamtheit der wissen-
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