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260 Phychische Studien. XLVllI. JahrR. 4.-5. lieft. (April-Mai 1921.)
I>a bleibt doch logiseherweLse nur die Annahme übrig, daß das
Unterbewußtsein bei diesen Automatusimen überhaupt nicht in
Tätigkeit tritt, weil es nur durch Hellsehen zu solchen Kenntnissati
kommen kann, die nicht im Unterbewußtsein des Mediums waren.
Bei diesen Automatismen aber ist kein Hellsehen gegeben, also
bleibt hier vorläufig nur die spiritistische Hypothese oder — ein
uoch ungelöstes Rätsel. Es bleibt also für mich dabei, daß das
Unterbewußtsein bei völligem Wachbewußtsein keine Rolle spielen
kann. Kommt es aber zu räumlichem oder zeitlichem Hellsehen
, so kann wohl unser „Unterbewußtes** in Aktion treten;
denn Hellsehen ist ein Fall von S o m nambilismus! Somnambule
Personen befinden sich aber nie in völlig wachem
Zustand, sondern in einem Zustand, den man „schlafwach" nennt,
bei welchem das Wachbewußtsein stets mehr oder minder zurücktritt
. Ich denke hier nur an die „Seherin von Prevorst", an den
amerikanischen Seher Davis, der in seinem hellsehenden Zustand
Bücher diktierte, wie sein Werk: „Die Prinzipien der Natur". Das
Medium Wasielewakis war eben somnambul und beweist also
gar nichts gegen meine Ansieht, sondern spricht im Gegenteil
für meine Meinung. Heilseäiende sind immer somnambul und nie
völlig wTach. — Nun noch einige Worte über das „Unterbewußtsein
"! Nach der offiziellen Lehre der „Psychologie", die ich als
Lehrer doch kenne, schwinden Vorstellungen nicht aus der Seele,
sondern nur aus dem Bewußtsein und können aus der „Tiefe"
(„Tiefengedächtnis") durch die Kraft der Seele über die „Bewußtseinsschwelle
" wieder emporgehoben oder reproduziert werden.
Vorstellungen, die also jemals entstanden sind, gehen niemals spurlos
verloren, sondern „beharren" in der Seele, eben als „unbewußte
Vorstellungen", welche in ihrer Summa das sogenannte „Unterbewußtsein
" ausmachen. Nach Dr. Jos. Böhm ssetzt sieh nun
der Vorstellungsinhalt unseres „Unterbewußtseins'* nicht nur aus
bewußten Wahrnehmungen bzw. bewußten Vorstellungen (die
natürlich im „Unterbewußtsein" als „unbewußte Vorstellungen"
vorhanden srind) zusammen, sondern auch das unbewußt
Wahrgenommene und das Erfühlte sind Quellen, aus denen unser
„Unterbewußtsein" gespeist wird. In der Hauptsache aber besteht
der Inhalt unseres „Unbewußtseins" (loch aus bewußten
Vorstellungen, die nur unter die Schwelle des Oberbewußtseins
gesunken, sind und nun zu „unbewußten" Vorstellungen geworden
sind. Das nach einer Wahrnehmung oder Anschauung in unsewr
Seele verbliebene Erinnerungsbild (Vorstellung) tritt nach
einiger Zeit vom Bewußtsein ins Unbewußte und wird nun eine
„unbewußte" Vorstellung, erscheint aber bei gegebenem Anlaß
wieder im Bewußtsein. Aus solchen Vorstellungen setzt sich in
der Hauptsache dodh der Inhalt unseres „Unbewußten" oder
„Unterbewußtseins" zusammen. Wie kann man da mit Herrn
Dr. Tischner annehmen, daß dieses Unterbewußtsein Kenntnisse
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