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266 Psychische Studien. XLVIU. Jahr*. 4.-5. Lieft. (April-Mai 1921.)
iührte aus, die herrschende Zeitströmung komme der Anerken-
liung okkulter und spiritistischer Erscheinungen außerordentlich
entgegen, weshalb es durchaus notwendig erscheine, daß man sich
auch von wissenschaftlicher Seite kritisch, wenn auch zunächst
skeptisch, aber ohne Vorurteile damit beschäftige, wenn auch die
berichteten Erscheinungen absonderlich sind tuid zu unseren bisherigen
Anschauungen nicht zu passen scheinen. Nach einem
kurzen Rückblick auf die Geschichte des Spiritismus und seine
Verbreitung in Europa seit etwa 1850 wandte sich der Redner mit
Demonstration an ausgezeichneten Lichtbildern speziell den sog.
Materialisationen und den telekinetischen Erscheinungen, sowie
der Gedankenübertragung zu. Leider wird die exaktwissenschaftliche
Untersuchimg der fraglichen Phänomene bedeutend erschwert,
wenn nicht unmöglich gemacht, durch das künstlich hergestellte
Halbdunkel, die Nervosität einer spiritistischen Umgebmig, die
Empfindlichkeit der Medien und die gläubige, keine nähere Untersuchung
gestattende Stimmung der beteiligten Kreise oder Gesell-
schaften. So ziemlich alle berühmten Medien sind bekanntlich bei
Täuschungsversuchen ertappt imd gelegentlich „entlarvt" worden.
Diese Betrügereien, die der direkten Beobachtung zu entgehen
pflegen, sind aber neuerdings durch Blitzlichtaufnahmen festgehalten
worden. Das hervorragendste Verdienst in dieser Richtung
kommt dem Münchener Nervenarzt Dr. v. S c h r e n c k -
Notzing zu, der seit Jahren sich diesem Spezialstudium gewidmet
und die gewonnenen Resultate seiner methodisch angestellten
, mit den reichsten Mitteln durchgeführten Experimente
in mehreren großen Werken veröffentlicht hat. Aber eben die
nach seinen dortigen Abbildungen vergrößerten Lichtbilder
weisen gleichfalls auf Täuschungsversuche seiner Medien Eva C.
und Mlle. Tomczyk hin, so namentlich der auf einigen Bildern
(z. B. unter der gehobenen Wagschale beim Wageversuch) deutlich
sichtbare Fade n. Wenn behauptet wrerde, derselbe sei, weil
man nach dem Experimente ihn nirgends finden konnte, genau
wie die Ausscheidungen aus Mund und anderen Körperteilen des
Mediums als teleplastisches Gebilde zu betrachten, so liege für
einen unbefangenen Beobachter doch die Vermutung näher, daß
das Medium den Faden vor xuid nach der Sitzung irgendwo (z. B.
im Haar oder Mund) schnell zu \erstecken gewußt habe, was ja
durch die mangelhaite Beleuchtung erleichtert werde. In anderen
Fällen habe das Medium offenbar einen Fuß freigemacht, um ihn
als bewegliche Hand zu benützen oder an die Stelle der wirklichen
Hand eine künstliche solche gesetzt und die erstere zum
Betrüge gebraucht. Auch die von Dr. Schrenck-Notzing in seiner
Verteidigungsschrift („Der Kampf um die Materialisationsphänomene
") eingehend widerlegte Ruminationstheorie wurde von
neuem gegen ihn ins Feld geführt, indem Redner den Umstand,
4aß derartige Täuschungen gewöhnlich übersehen werden, damit
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