http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1921/0275
Literaturbericht.
271
bzw. als der Pestalozzi unserer Zeit gefeiert wi*d. Verfasser erblickt
auch in dieser politischen Tätigkeit Steiners eine nicht zu untei-
schätzende Gefahr für das deutsche Volk, weil der jetzt um die Gunst
des Proletariats werbende Steiner, ähnlich wie Frau ßesant, an der
Spitze eines internationalen freimaurerischen Gehtimbunds stehe und
wie die bekannten bolschewistisch-jüdischen x\gitatoren „geistigen
Bauernfang" treibe. Eine Widerlegung der vom Verfasser erhobenen
und durch zahlreiche, großenteils dem Jahrgang 1917 der „Psych.
Stud." entnommene Zeugnisse bekräftigten moralischen Anklagen kann
selbstredend nicht damit als widerlegt gelten, daß er von seinen begeisterten
Anhängern und Anhängerinnen als „Apostat" geschmäht
wird. Treffend sagt Pastor G. Fessmer in „Kirche und Schule":
„Wenn auch nur der zehnte Teil der Anschuldigungen auf Wahrheit
beruht, wäre es genug, den Nimbus dieser Persönlichkeit zu zerstören
", und Pfarrer Fr. Traub, der in seiner vorzüglichen Schrift:
„R. Steiner als Philosoph und Theosoph" (Tübingen 1919) den
„Cagliostro" unseres Jahrhunderts mit seltener Objektivität nach beiden
Seiten hin betrachtet, äußert zu seiner Verbindung von Christentum
und Anthroposophie nicht mit Unrecht: „Zwei Gebilde von ,so
sntgegengesetzter geistigei Haltung lassen sich nicht einfach addieren,
sie schließen sich aus. x*x an erinnere sich nur an die Art, wie von
Steiner das Vaterunser interpretiert wird. Es soll um alles nicht so
genommen werden, wie sein schiichier Wortsinn lautet. Mit Gewalt
wird ein Stück Anthroposophie hineingeheimnißt. Es soll sich auf
den Ätherleib, den Astralleib, das Geistselbst und die übrigen Glieder
der Menschennatur beziehen. Wer die schlichten Gebetsworte Jesu
so verballhornen kann, dem fehlt der Sinn für das, was das Evangelium
ist und sein will." Item: der unbefangene Leser wird, wenn er
auch die Genialität und die auf einer glühenden Phantasie beruhende
geistige Fruchtbarkeit Steiners nicht genug bewundern kann, doch in
moralischer Hinsicht sich dem ^tiefen Eindruck nicht verschließen
können, daß Seiling mit diesem erneuten „Warnruf an das deutsche
Volk'* bich durch die Entlarvung dieses angeblichen Hellsehers, um
nicht zu sagen „Schwindlers", ein dauerndes und bedeutendes Verdienst
auch um echt wissenschaftliche Forschung auf okkultistischem Gebiet
erworben hat. Fritz Freimar.
Dr. GL Lomer: Seele und Kosmos (Die Okkulte Welt Nr. 17). 53 S.
M. 2.40.
Der Verf. der vorliegenden Schrift, der auch den Lesern der Psych.
Studien wohlbekannt ist, wirft hier, auf reiches Material gestützt, eine
Frage auf, die gerade in der Gegenwart von größter Tragweite sein
muß: Gibt es einen Zusammenhang zwischen den kosmischen Kräften
und dem menschlichen bzw. dem Völkerleben? Die Frage ist nicht
neu, und es ist besonders die Abhängigkeit des Menschen vom Wetter
schon öfters untersucht worden (7. B. das reizende Büch lein von Dr.
Richard Hennig: Vom Wetter, Verlag Th. Thomas in Leipzig), dessen
Einfluß auf den Menschen und die Politik (man denke z. B. an die
zweite Champagneschlacht Oktober 1915!) trotz der gegenteiligen Meinung
des Verfassers (p. 19) ohne weiteres zugegeben werden kann. Aber
der Verf. geht weiter und untersucht an der Hand eines ausgewählten
Zahlenmaterials auch d<*n Zusammenhang zwisenen anderen kosmischen
Faktoren, wie z. B. den Kometen und dem politischen Geschehen, um
schließlich im weitere r Verlaufe dieser Kausalreihen (Sonne, Jupiter etc.)
zu der Anerkennung eines Weltgeistes zu gelangen, in welchem zuletzt
die Ursache aüer dieser Erscheinunsen, kosmischer wie seelischer, zu
suchen ist So kühn diese Kombinationen auch für den ersten Blick
erscheinen mögen, so sehr gewinnen sie aber doch durch die Darlegungen
des Verfassers an Wahrscheinlichkeit, und es ist interessant,
wie der moderne Mensch sich hier wieder den uralten Lehren der Astro-
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1921/0275