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Colsman: Leib und Seele im Kosmos der Welt 313
Erkennen wir aber solcherweise (von den neueren Philosophen
steht vor allem Bergson dieser Auffassung Gottes nahe, doch
fand er aus seiner „Aktualitätstheorie" heraus m. W. noch nicht die
Brücke zw Möglichkeit und Erkenntnis der Unsterblichkeit) das
All, Gott, unsere Seele und ihre Bestimmung, nicht „wissenschaftlich
" im strengen Sinne, wohl aber indem wir das, was die Wissenschaft
gab und gibt, schauend und ahnend ausbauen und erweitern
, bis zu letzten Hohen u'nd Möglichkeiten, auf deren
Gipfeln dann das Sein unter uns liest, widerspruchslos und durchglüht
, (heiter und klar, so haben wir damft ein wundervolles und
beseligendes Weltbild enschürft und erkannt. Wie kann der, dem
solche« gelang, noch innerlich klein sein und arm, feige nnd ge-
mein, verzagend »umd vergrämt? Freilich wird er. drang &
durch zu letzter Höhe und Freiheit, nicht glauben und erwarten,
daß Gott ihn leite und lenke, ihn überwache und betreue wie ein
sorgender, auch strafender, zürnender Vater — — diese landläufige
Auffassung und Religionsstufe scheint mir im Grundsatz
endgültig überwunden und überlebt; Gott, der Urquell mn-
faßlioher, alle Vorstellungen an Zahl und Größe übersteigender
Welten und Räume hat wahrlich Größeres zu tun, als unser winziges
Schicksal zu formen und zu gestalten; auch scheint es ein
zwingendes Gesetz des Kosmos, daß, je höher und lichter eine
Geistigkeit — und welche wäre höher und lichter. aN din Gottes
? — sie um so weniger auf das grobstoffliche Leben zu wirken
geneigt und in der Lage ist, eine Beobachtung, die ja jeder tiefer
Blickende schon im alltäglichen Leben machen kann.* Gott lebt
in seinen unfaßbar großen Schöpfertaten und -gesetzen, nicht in
kleiner allzumenschlicher Vorsehung und Geschickesleitung, wie die
Menschen von jeher sie nur zu gerne ihren Göttern andichteten.
Wer das erkannt hat und deshalb Gott auch nur kosmisch in
seinen Auswirkungen und Gesetzen surcht, seien es die Gesetze
der sichtbaren Werdewelt um uns her, seien es vor allem die
heimlichen, heiligen Gesetze unseres Innern, wie sie eich offenbaren
in unserem Suchen und Streben, unserem Ahnen und innerem
Schauen und Empfangen, und in den Lehren nicht zuletzt der
größten Menschensöhne, der wird wahrhaft leben in Gott, sein
Glied und sein Gefäß, sein Helfer, seine Hand, wird aufstreben
in Kraft und Schönheit und Freude, tief verantwortlich und
berufen sich wissend, mizuwirken zu seinen endlichen Zielen.
Danin wird er nur um so größer und innerlich reicher und
weiter sein, je näher er reifte zu Gott, und wird sich
darüber hinaus aus der Fülle inneren Schauens bewußt
werden, je länger, je -mehr, daß der Tod nichts als ein Durchgang
ist und ein Tor iau neuen Aulfgaiben und Zielen, zu neuen
Weiten und herrlichen Ländern.
„Soll ich dich Vater nennen, Gott" — so durfte ich schreiben
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