http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1921/0336
332 Psychische Studien. XLV1IL Jahrg. 6. Heft. (Juni 1921.)
«
seitigen Verhältnis entsprechend durch geeignete Kultur dieser kör-
perlichen Faktoren Gehirn und Psyche beeinflußt werden können.
Neu ist dabei weder das Operieren mit dem Begriff des animalischen
Magnetismus an sich, noch die Verfolgung der Gedankengänge, die
dem Psychologen mit Bezug auf den psychischen Autbmatismus geläufig
sind. Das Verdienstvolle an der vorliegenden Schrift ist aber
in der meines Wissens erstmaligen konsequenten Durchführung eines
psychophysischen Systems auf dem Gebiete der Musiktechnik zu sehen.
Das Wesen des begnadeten Spieles wäre nun also das Vorhandensein
des vom Verf. näher gezeichneten energetischen Stromes, der in
diesem Falle von selbst das sichere Gefühl des „Eingespieltseins" erzeugt
, während der Klavierspieler alten Schlages mit dem Begriff
des Eingespieltseins die Zwangsvorstellung verbindet, immer und
immer wieder üben zu müssen, um nicht einzurosten. Dementgegen
möchte der Verf. zeigen, wie durch ein vom Instrument losgelöstes
Übungssystem vermittelst autosuggestiver Willenskraft der körpermagnetische
Strom zum energetischen Strom verstärkt werden kann.
Das System für die Gewinnung dieser magnetisch-energetischen
Strombildung erinnert in mancher Beziehung an die Trainierung der
indischen Joghis und beginnt damit, den bereits vorhandenen
Magnetismus zu „holen*', d. h. als fluidisches Element in den Fingerspitzen
fühlbar zu machen. Erst d<?nn ist überhaupt die musikalische
Hand im allgemeinen (ohne stundenlanges Einspielen) „in Stim-
mung". Das weitere ist dann, daß, die „stromgefüllten" Fingerspitzen
mit den Tasten in den richtigen Kontakt gebracht werden,
also unmittelbar zur Wirkung kommen können, was durch kunstgemäße
Hand- und Fingersteliung zu erreichen ist. Tm weiteren
Verlaufe kommt nun Verf. auf das von den großen Tastenmeistern
zum Teil bewußt ausgeübte Klavier-Vibrato zu sprechen: „Es kann
gar keinem Zweifel unterliegen, daß der körpermagnetische Strom
der Erzeuger und Befruchter dieser eigenartigen, erzitternden Tätigkeit
der Spielmuskulatur ist, deren unsagbar feine Wellen von den
Fingerspitzen an die Tasten und von da aus durch Vermittlung des
Hammerwerkes der Klaviatur an die Saiten weitergegeben werden/*
Nun könnte man mit den Gegnern des Klavier-Vibrato sagen, daß
zwar ein Ton, d^r wie bei der Violine unmittelbar mit den menschlichen
Nervenspitzen in Verbindung gebracht werden kann, veränderlich
sei, nicht aber ein Ton, der von einem befilzten Holzhammer
in Schwingung versetzt werden muß. Demgegenüber hält
Verf. seine Anschauung dadurch aufrecht, daß er ganz im Sinne des
Okkultismus eine Beseelung der toten Klaviaturmaterie durch das
exterioris*erte Empfindungsvermögen annimmt. Man hätte also hier
Übertragung des Rhythmus durch eine Art odischer Resonanz anzunehmen
. Ich halte es nun ganz unabhängig von dieser heutzutage
mehr und mehr an Boden gewinnenden psychodynamischen Hypothese
jedenfalls für richtig, daß durch - eine ganz unter der Herrschaft
der Affekte stehende fein nüancierte» Innervation der physiologischen
Spielwerkzeuge in diesen feinste Schwingungszustände
(Pulsationen) erzeugt werden, die an der Oberfläche der Haut zur
Auswirkung kommen und sich in dem Schwingungssystem eines
vorzüglich mechanisierten Tastwerkes rhythmisch wiederspiegeln
bis hinauf zu den verschiedenen Oberschwingungen, welche ja die
Klangfarbe des Tones bedingen. Wir stehen auch hier wieder vor
der von A. Hofmann in dieser Zeitschrift angeschnittenen Biozitäts-
frage im Gegensatz zu der mechanischen Erklärung durch den „Hofmanneffekt
'*. Die Haut, die C. L. Schleich mit Recht als Organ der
Seele bezeichnet, ist, so oder so, jedenfalls letzten Endes als Ausgangspunkt
des Vibratophänomens zu betrachten. Wie man auch
über diese Frage und über verschiedene Einzelheiten von Rittes
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1921/0336