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Ludwig: Zeitliches Hellsehen und Telepathie. 869
Zu den Ausführungen des Herrn Dr. Lenk möchte ich als
Schlußsatz einige Worte des Tübinger Psychologen Prof. Dr.
Oesterreich hierhersetzen. Er sagt in seiner neuesten Schritt:
„Der Okkultismus im Weltbild" (Dresden 1921) Seite 24: „Die
Skepsis, die man diesen Dingen heute noch in Deutschland ent-
gegenbrinjgt, geht viel zu weit. Wer die fremdsprachliche Literatur
kennt, kann nicht umhin, zun dem Urteil zu kommen, daß sie
einfach auf Unkenntnis des schon vorliegenden Materials beruht.
Wir sind einfach auf diesem Gebiet rückständig. Es handelt sich
noch immer um eine Rückwirkung des Materialismus. Die gegenwärtige
Lage wrird der deutschen Wissenschaft mehr und mehr
unwürdig."
Zeitliches Hellsehen und Telepathie.
Von Prof. Dr. Ludwig, Freising.
Die hier folgenden Fälle, die ich für werthalte, veröffentlicht
zu werden, sind mir von 2 durchaus glaubwürdigen Kandidaten
der Theologie, die meine Schüler waren, mitgeteilt wTorden:
Im Juli 1914 verunglückten durch einen Steinschlag am Südabhang
der Dreitorspitze ein Professor aus Würzburg und ein
Student aus München. Wegen verschiedener Umstände konnten
ihre Leichname nicht gefunden werden.
Im Dezember 1914 hatte nun der Schwager des Professors einen
merkwürdigen Traum. Der Professor erschien ihm, nahm ihn
beim Arme und führte ihn in eine Leichenhalle. Von hier aus
führte er ihn geradewegs aif eine Stelle des Friedhofs, rechts
neben dem Haupteingang an einen Platz unter zwei Bäumen und
sagte: „Hier w7ill ich beerdigt sein." Wie der Schwager mitteilte,
legte er keine weitere Bedeutung auf den Traum.
Inzwischen wurden von den Eltern des verunglückten Studenten
unablässig Nachforschungen betrieben und es gelang im Oktober
1920, die beiden ausfindig zu machen. Auf Grund von noch vorgefundenen
Visitenkarten und gravierten Uhren konnte man die
Identität der Leichname (es waren nur noch die Knochen vorhanden
) feststellen. Die- Überreste des Studenten wurden nach
München überführt, die des Professors soJlten nach Wunsch seines
Schwagers in Partenkirchen und zwar an einem Platze l. Klasse
beerdigt weiden. Da traf es sich nun günstig, daß für ihn der
schöne Platz neben dem Eingang hergenommen werden konnte;
denn für ein Grab eines unverwesten Leichnams war wegen der
Bäume zu wenig Platz, die Überreste des Verunglückten aber
waren nur in einem Kindersarge geborgen.
Als am Tage der Beerdigung der Schwager nach Partenkirchen
kam und den neuen Friedhof besuchte, wurde es ihm sofort klar,
daß die ganze Situation dieselbe sei, die er vor 4 Jahren im Traum
gesehen hatte. Sein Staunen wurde noch größer, als die Lage des
Grabes genau stimmte. Auch der Weg, den ihn im Traum der
verunglückte Professor geführt hatte, war der gleiche; denn man
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