http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1921/0406
884 Psycttusdhe Stadto. LXVIIL Jalurg. 7. Heft (Ju»M 1921.)
ist das persönliche Erleben, dem es allein vorbehalten sein mag,
jene Schätze zu heben und zu behüten.
Der Verfasser winde kaum zu einer so gänzlichen Ablehnung
der Iheosopbie als solcher gekommen sein, wenn er etwas gekannt
hatte, was bei seiner Beweisführung ganz übersehen worden
ist. Das niedere Hellsehen, das gerade hier seine große Bedeutung
als Vorstufe der Esoterik beweist. Es sollte sich niemand
mit Esoierik beschäftigen, der nicht zuvor die Erscheinungen
dieses niederen Hellsehens gründlich studiert und seinen
Blick daran geschärft hat. Wie könnte Bruhn sonst von einem
Hellseher reden, der sein Wahrnehmungsvermögen etwa auf einen
Menschen seiner Umgebung konzentriert, seine Eindrücke davon
sammelt und das Bild, das davon aus seinem Unterbewußtsein
heraufsteigt, für das Produkt eines wirklichen Hellsehens hält
(S. 66). Demgegenüber ist auf Versuche hinzuweisen, bei denen
die Ergebnisse gezeigt haben, daß hier Fähigkeiten vorliegen, die
weit über den gewöhnlichen Begriff des Unterbewußtseins hinausgehen
und beweisen, daß wirklich eine Verbindung transzendenter
Faktoren stattgefunden hat (der transzendenten Seite des Objekts
und der transzendenten Perzeptionsorgane des Hellsehers), indem
ein lückenloser Erkenntnisprozeß vorgeht, der zu solchen erstaunlichen
Ergebnissen führen kann. Wenn ein Seher, wie schon
Schottelius (Kosmos) 1913 berichtet und seitdem zahlreiche andere,
die Schrift eines von ihm weit entfernten Buches lesen kann, wenn
ihm die eines verschlossenen Briefes zugänglich ist oder er Szenen
wahrnimmt, die sich hunderte von Meilen von ihm entfernt abspielen
, wie soll er denn diese Eindrücke sammeln, um sie dann,
wenn sie von seinem Unterbewußtsein aufsteigen, als anders-
sinnliches Anschauungsbild ansehen zu können? Gerade diese
Fähigkeit der Konzentration ist eben das X, das es zu lösen gilt
und das keinesfalls aus dem bloßen Unterbewußtsein, der Auskunft
für alles, erklärt werden kann. Und dasselbe gilt auch von
% dem zeitlichen Hellsehen und ähnlichen Problemen. Wenn übei-
ail das Unterbewußtsein für solche Ergebnisse verantwortlich gemacht
wird oder wenn es sich überall eindrängen soll — warum
drängt es sich nicht bei dem niederen Hellsehen ein und warum
erscheint hier eine lückenlose Kette von Faktoren, die zu dem
richtigen Ergebnisse führen? Allerdings besteht zwischen dem
niederen und höheren Hellsehen ein Unterschied: nur dieses läßt
sich kontrollieren, während sich jenes unseren Wahrnehmungen
entzieht. Das ist aber natürlich nur ein rein äußerlicher Unterschied
, zu dem aber noch ein anderer hinzukommt, der mit jenem
zusammenhängt: Die Objekte des niederen Hellsehons gehören
der Sinneswelt, jene der übersinnlichen Welt an. Für die rein
psychische Auffassung dieses Vorganges mag das gleich sein, obgleich
auch hier bei den Objekten der Sinneswelt diese Erklärung
noch schwieriger ist als bei den transzendenten — für die Erklärung
des Hellsehens nach Analogie physikalischer Vorgänge
(Strahlen) ist insofern ein Unterschied gegeben, als wir es das
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1921/0406