http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1921/0428
406 Psychische Studien. XLVIIL Jahrg. 8. Heft. (August 192t.)
. geistige Welt, würden wir sehr wahrscheinlich die Existenz
irdischer Dinge auch nicht verstehen und die Frage über die
Möglichkeit ihrer Existenz ebenfalls auf werfen. Das Lächerliche,
das wir in der Idee finden, welche die geistige Welt als Duplikat
der realen Welt ansieht rührt von dem Einfluß der Oartesia-
nischen Philosophie her, die nahezu alles moderne Denken beherrscht
. Sie hat einen solch großen Gegensatz zwischen Geist
und Materie, Gedanken und Wirklichkeit, subjektiver und objektiver
Existenz aufgerichtet, daß manche eine geistige Welt als
völlig ohne Eigenschaften einer materiellen Welt, sogar ohne
die Eigenschaft des Raumes ansehen. Diese Voraussetzung ist
es, welche die Reden der Spirits über Häuser, Kleider p. p. so
widersinnig erscheinen lassen. Aber die Cartesianische Philosophie
kann nur halbe Wahrheit sein. Es mag eine Art Gegensatz
herrschen zwischen Geist und Materie, Gedanke und Wirklichkeit
, subjektiver und objektiver Existenz, aber nicht größer,
als ihn die Physiker in ihrem eigenen Reiche zwischen sensibler
und supersensibler Welt setzen. Es ist bekannt, daß es übersinnliche
physikalische Wirklichkeiten gibt so z. B. manche Gase
in der Luft die X-Strahlen p. p. Sie sind sensibler Wirklichkeit
ähnlich und unähnlich, und es ist kein Grund a priori vorhanden,
daß dib Antithese zwischen Geist und Materie nicht in derselben
Weise zu lösen wTäre und auf diesem Wege manche Behauptungen
des Spiritismus des Lächerlichen zu entkleiden.
Selbstredend soll dies kein Argument sein, alles im naiven
Spiritismus für bare Münze zu nehmen. Die Bereitwilligkeit, jede
sinnlose Behauptung buchstäblich anzunehmen, ist ein Zeichen
\on Unwissenheit, allein anderseits entgeht man den Schwierigkeiten
nicht dadmchu daß mau diese Behauptungen einfach
niederschlägt. Mau muß, wie schon betont, nach einer Erklärung
suchen.
Um dies zu tun, müssen wir von allem die Fundamentalfragen
des Problems prüfen. Nun, eine der ersten dieser Fragen betrifft
die Beschränkungen, welche uns hinsichtlich der Kommunikation
zwischen zwei Personen auferlegt sind. Gewöhnlich sehen wir
dieselbe als ein leichtes Ding an. Dies ist jedoch eine Täuschung.
Der Erfolg, uns gegenseitig verständlich zu machen, hängt ganz
von den gemeinsamen Kenntnissen und Eifahrungen ab. Wir
können einander nicht Gedanken mitteilen, wenn wir nicht dieselbe
Sprache haben. Dies ist eine alte Wahrheit allein die
meisten vergessen «das bei Betrachtung einer Koimmurlikation
mit transzendentalen Wesen. Wir können auch einem anderen
keine ^Tatsachen oder Wahrheiten beweisen, wenn derselbe nicht
die Fähigkeit oder die Erfahrung hat, diese Wahrheiten zu erfassen
. Wir können den pythagoräischen Lehrsatz keinem Idioten
demonstrieren. Auch können wir einander nicht Ideen mitteilen,
wenn es nicht in Ausdrücken geschieht, welche der Erfahrung
des anderen entsprechen.
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1921/0428