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408 Psychische Studien. XLVIII. Jahrg. 8. Heft. (August 1921.)
normalen Erfahrung, d. h. der inneren mentalen Erfahrung zu
interpretieren und manches Verwirrende in dem Problem wird
verständlich werden.
Zweifellos ist längere oder kürzere Zeit nach dem Tode unser
Gedächtnis auf die irdischen Erfahnungen konzentriert, bis der
Geist sich an die neuen Verhältnisse gewöhnt hat Das Subli-
minale schafft scheinbar Wirklichkeiten, und wenn nun der Abgeschiedene
tmifi einem Medium in Berührung kommt, erzeugt die
Mitteilung dieser Vorstellungen oder Bilder in uns die Idee, daß
es sich auch dort nm eine materielle Welt handelt. Das Medium
hält in seinem Traamizustand die ihm dargestellten picto-
graphischen Bilder für Bilder einer realen Weh, bis es lernt, daß
es nur geistige Symbole einer Wirklichkeit sind, die nicht genau
oder nicht vollständig in den Bildern ausgedrückt ist» Solange
also der träumende Spirit nicht an die geistige Welt gewöhnt ist,
wird er sein, was wir erdgebunden nennen, d. h. er ist beschäftigt
mit geistigen Vorstellungen» aus seiner Vergangenheit
oder mi\ momentanen Gedankenbildungen.
So können wTir uns das dortige geistige Leben als Traumleben
denken, also unwirklich, das so lange währt, bis das erdgebundene
Verhältnis überwunden ist, und vernünftig erst dann wird,
wenn die Gewöhnung des Geistes erreicht ist und er reif ist für
die Erkenntnis seiner neuen Umgebung. *
Nehmen wir aius den spiritistischen Erfahrungen Beispiele:
Ein sich mitteilender Geist behauptete, daß die Geister in Häusern
leben und alle Funktionen des Haushaltes üben, wie in der
irdischeu Welt. Ein anderer sagte, daß er in einem Hause lebe,
wie das auf Erden bewohnte, nur sei es „wie im Traume".
Ein dritter erzählte, daß die Geister nur für eine Weile in Häusern
leben und dieselben verlassen, nachdem ihr Gebrauch vorüber
sei. Wieder ein anderer meinte, daß sie nicht in Häusern
leben, aber alle Blumen hätten, die sie sich wünschten. Einige
behaupteten, daß sie uns die geistige Welt nicht beschreiben
könnten, und daß wir keinen Begriff davon erhalten könnten, bis
wir nicht selbst dahin kämen.
Wie man sieht, viele Widersprüche, und man braucht nur
einige Bücher über Mitteilungen aus dem Jenseits zu lesen, um
noch eine Menge widersprechende Behauptungen zu finden, oder
doch. Behauptungen, die offenbar so widersinnig sind, daß sie es
unmöglich machen, an ihre Wahrheit zu glauben. Wenn wir aber
nach dem oben Gesagten verfahren, werden wir den Faden aus
dem Labyrinth finden. Vom reinem Mentalstandpunkt aus erscheinen
alle diese Widersprüche in Übereinstimmung.
Nehmen wir Geister im erdgebundenen Zustand an.
Ihre irdischen Erinnerungen werden sie beherrschen; sie bauen
ihre eigene Welt wie in Träumen. Jeder wird dieser Welt die
Färbung geben, die mit seinen irdischen Gewohnheiten und Anschauungen
übereinstimmt. Und das ganze ist vielleicht nur
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