http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1921/0439
Ludwig: Ein merkwürdiger Fall von Telepathie. 417
•der gemachten Voraussetzungen angenommen — in den obigen Vorgängen
die Telefunken als einfache Organprojektion einer psycho-
magnetischen Fernwirkung nachgewiesen.
Dass die Zahl der telepathischen Fälle, die ohne nachweisbares
Leitungssubstrat vor sich gehen, Legion ist, ist jedem bekanntt der
sich mit du Prel, Aksakow, Bärwald, Lomer, Bennert, Silberer u. a.
^näher befasst hat. Der Vorzug des oben dargestellten Falles scheint
mir eben darin zu bestehen, dass er die bislang zuverlässig noch
nicht festgestellte Beobachtung eines ständigen Fernzusammenhangs
aufweist, und zwar so, dass der namentlich an dem Funkentelegramm
nachgewiesene Leitungszusammenhang die Anschaulichkeit zu bieten
vermag, die dem induktiven Verfahren eigen zu sein pflegt.
Ein merkwürdiger Fall von Telepathie.
Von Dr. A* Ludwig, Hochschulprofessor, Freising.
Ein Geistlicher der Bamberger Diözese, den ich seit meiner Studienzeit
persönlich kenne und der volles Vertrauen verdient, hat mir
brieflich ein Erlebnis mitgeteilt, das wohl als Telepathie charakterisiert
werden dürfte, vielleicht aber auch für die Theorie vom Astralleib
spricht. — Er schreibt: „Es war im Jahre 1901 und ich Pfarrer
von L. bei E. An einem Herbsttage wurde ich zu dem 71jährigen
Austragsbauern G. X. von L. behufs Spendung der hl. Sterbesakramente
gerufen, und zwar morgens 7. Uhr* Besagter Bauer galt in
«der ganzen Gegend als ein Mann, der in den vergangenen Jahren
einen unchristlichen, mit den Gesetzen der christlichen Sittlichkeit
in starkem Widerspruch stehenden, lockeren Lebenswandel geführt
habe. Die Sterbesakramente aber empfing er nach sorgfältiger Vorbereitung
in gut christkatholischer Art und Weise — nach meinem
Ermessen — gleichen Tags 1I2S Uhr früh.
An demselben Tage abends ll210 Uhr suchte ich mein im oberen
Gesehoss des Pfarrhauses isieh befindendes Xaehtlager auf. Kaum in
die Federn gekrochen, hörte ich einen Menschen kräftigen Schrittes
den betonierten Weg auf das Pfarrhaus zugphen; es läutete an der
Pfarrhaustüre. Dieselbe wurde geöffnet. Ich holte den Eingetretenen
den Estlich durchschreiten, über die Stiege in das Obergeschoss
steigen und die Tür meines Schlafgemachs öffnen Der alte von mir
morgens versenene G. ET. stand im Hemde vor meinem Bett. „Herr
Pfarrer, kommen Sie sogleich mit mir und geben Sie mir nochmals
die Sterbesakramente*', so redete er mich an. Die ganze Szene kam
mir merkwürdig, fast komisch vor „Fällt mir nicht ein", erwiderte
ich. „Sie wurden erst heute früh versehen. Erwecken Sie Reu
und Leid und pflegen Sie der Buhe, wie auch ich tun will!"
N. drang jedoch weiter in mich. „Wir haben nur noch dreiviertel
Stunden Zeit", meinte er, ,,eilen Sie, ziehen Sie sich an und gehen
Sie mit!" „Nein!" sagte ich und fügte noch einige, meine Weigerung
begründende Sätze bei. N. sprach darauf: „Die Zeit vergeht
.so rasch. Und doch haben wir nur noch eine halbe Stunde für uns."
27
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1921/0439