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418 Psychische Studien. XLVIII. Jahrg. 8. Heft. (August 1921.)
Wieder längeres Hin- und Herreden. „Jetzt ist es zu spät", jammerte
er, schlug die Tür des Schlafzimmers zu und stampfte auf demselben
Weg, auf dem er gekommen, aus dem Pfarrhaus hinaus in der Richtung
seiner Wohnung. Nächsten Tages früh 6 Uhr stand ich auf
Meine 35 Jahre alte Schwester B., die mir den Haushalt führte, be~
grüsste mich mit den Worten: „Was hattest Du denn gestern nachts
für eine laute Debatte und mit wem in Deinem Schlafzimmer?",
„Warum lässt denn Du nachts Leute zu mir, wenn ich schlafen
will?'* meinte ich. „Ich weiss von niemand, habe auch keinem
Menschen die Tür geöffnet", versicherte sie.
Während wir weiter darüber redeten, begehrte dor etwa 36 Jahre
alte Sobn des GL N. Einlass. „Ihr Yater ist gestorben", sagte ich,
und zwar gestern nachts Uhr". „Woher wissen Sie das?", fragte
der erstaunte junge N. Ich erzählte ihm den Vorgang vom vergangenen
Abend, worüber er sich ganz entsetzte.
Dies die wahrheitsgemässe Schilderung — ich kann einen Eid darauf
ablegen — des Vorganges. Nach meinem Urteil war ich dabei
völlig wach. Öfter wurde ich schon gebeten, die Erscheinung zu
veröffentlichen, ich weigerte mich aber, es zu tun, weil meine Weige -
rung, mit dem Schwerkranken zu gehen, bei unverständigen Leuten
leicht Anstoss hätte erregen können.4' — Soweit der Pfarrer. Ich
richtete nun an ihn folgende Fragen: 1. Ob seine Schwester ausser
seiner Stimme noch die eines Zweiten gehört habe, 2. ob das Pfarrhaus
verschlossen war, 3. ob es nicht möglich gewesen sein könne,
dass der Sterbende in einem Anfall des Fieberparoxismus sein Bett
verlassen und den Pfarrer aufgesucht hätte? Pfarrer W. antwortete
mir unter dem 30. April folgendes: 1. Meine Schwester ist leitler
verstorben, so dass ich sie nicht mehr vernehmen kann. Aber sowohl
aus ihrer ersten Frage am Morgen nach jener Nacht, sowie aus ihren
Eeden später (wir sprachen in der Folge oft von dem Ereignis)«
konnte geschlossen werden, dass sie ausser meiner Stimme noch eine-
zweite hörte, weil immer der Ausdruck „Streit, Debatte" von ihr gebraucht
wurde. Doch mit voller Gewissheit lässt sich das nicht
mehr feststellen» 2. Das Pfarrhaus wurde jeden Abend mit dem
Schlüssel verschlossen, konnte aber auch am Tage nicht von aussen
geöffnet werden, ohne dass jemand einen Schlüssel besass. Eine
Oeffnung war stets nur von innen möglich. 3. Es ist unmöglich, dass
der alte, schwerkranke, in den letzten Tagen des Gehens unfähige
Greis sein Bett verliess. Zudem weilten sein Sohn, seine Ehefrau
und seine Schwägerin den ganzen Abend an seinem Bett, da sich
schon am Spätnachmittag die Anzeichen des nahenden Todes bemerkbar
machten.--Demnach würde es sich also doch um eine
telepathische Kundgebung des Sterbenden handeln, die so real war,
• dass der Geistliche nach dem, was ihm Gehör und Gesicht sagten,
wirklich glaubte, den Sterbenden vor sich zu haben. Und es entspann
sich nun eine Debatte. Waren die Reden des Pfarrers auch
nur telepathisch übermittelt oder gingen sie von einem wirklich anwesenden
AstraQeib desselben aus? Leider können wir die Schwester
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