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Tischner: Über den Bewußtseinszustand der Medien. 419
nickt mehr als Zeugin befragen. Aber soviel ist sicher, dass der
Pfarrer die Gestalt vor sich zu haben glaubte und laut mit ihr
debattierte, so dass es die Schwester bis in ihr Zimmer hörte. Allein
noch hat aber die Schwester nicht anläuten hören und auch die Tritte
nicht gehört, was wieder gegen eine volle äussere Bealität der Erscheinung
sprechen dürfte. Aber der Sterbende wusste hellsehend
den Zeitpunkt seines Todes genau zu bestimmen.
IL Abteilung.
Theoretisches und Kritisches.
Über den Bewnsstseinsznstand der Medien.
Von Dr. med. Rudolf Tischner, München.
In meiner Entgegnung (1921, 2) auf den Aufsatz von Herrn
Tretzel „Mediumistische Erscheinungen" bin ich wohl in dem Bestreben
kurz zu sein zu kurz gewesen; in Rücksicht auf die Bedeutung
der aufgeworfenen Fragen möchte ich nochmals auf breiterer
Basis darauf zurückkommen und allgemein die Frage erörtern, wie
die Beziehung von Somnambulismus zum Okkultismus und im engeren
Sinne zur Parapsychik ist, indem ich die paraphysischen Erscheinungen
kurz streife; oder mit anderen Worten: ich will in den
folgenden Zeilen einiges Zusammenfassende über den Bewusstseins-
zustand der Medien während der Versuche sagen; ich nehme diese
Gelegenheit um so lieber wahr, als diese Frage meines Wissens noch
nicht ausführlicher und zusammenhängend behandelt worden ist.
Leider fehlen genauere psychologische Angaben darüber in der Literatur
meistens.
Zuerst seien einige terminologische Vorbemerkungen gemacht! Ich
bleibe in dieser Arbeit bei der Terminologie von Herrn T. und
wende meist das Wort Somnambulismus an, obwohl es ein wenig
veraltet ist, es verschlägt aber nicht viel, da die Terminologie auf
diesem Gebiete sehr im argen liegt. Wenn ich also von Somnambulismus
spreche, so meine ich den eigentümlichen, veränderten Be-
wusstseinszustand, dessen Hauptkennzeichen die Amnesie (Erinne-
rungslosigkeit) ist, im übrigen kann dieser Zustand alle möglichen
Bilder darbieten, es kann ein tiefer, schlafähnlicher Zustand sein, bei
dem aber immerhin noch ein gewisser Rapport mit der Aussenwelt
vorhanden ist, es kann aber auch ein Zustand sein, der sich vom
Wachzustand äusserlich nicht unterscheiden lässt, dazwischen gibt es
alle möglichen üebergänge. Und auch in anderer Beziehung gibt es
alle möglichen Spielarten, einmal besteht grosse Suggestibilität, das
andere Mal nicht, bei dem einen besteht ein stark passiver Zustand
mit starken Hemmungen auf dem Gebiet des Vorstellungsablaufs und
der Bewegungen, bei dem anderen nicht; auf das Nähere einzugehen
ist hier natürlich nicht der Platz, Dieser Zustand besteht in einem
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