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Tischner: Ober den BewußtMnnbziihtand der Medien. 425
und Frau W., auch sie sind beide nicht hypnotisier bar, wenn man
darunter eine normale Hypnose versteht, die erst auf Befehl des
Hypnotiseurs aufgehoben wird. Herr Sch. ist noch nicht hypnotisiert
worden, und er will es auch nicht, er ist aber sehr stark suggestibel
und ist der Ueberzeugung, dass er sehr leicht hypnotisierbar sein
würde. — Es ist auffallend, dass eine Anzahl von recht guten Medien
nicht hypnotisierbar sind, es ist das vielleicht kein Zufall, sondern
irgendwie in ihrer geistigen Konstitution bedingt.
Besonders deutlich scheint mir die Unabhängigkeit der okkulten
Fähigkeiten von somnambulen Zuständen in vielen Fällen von automatischem
Schreiben zu sein. Die Versuchsperson sitzt da, unterhält
sich mit den Umsitzenden oder liest in einem Buch, und
während dieser Zeit schreibt der Arm automatisch alle möglichen
Dinge, die unter Umständen übernormaler Natur sind. Hier ist auch
nichts von Einengung des Bewusstseins nachzuweisen, bis auf den
einen Punkt, dass die Tätigkeit des Arms und der Inhalt des Geschriebenen
vielfach nicht in das Bewusstsein fällt, im übrigen ibt
der Mensch völlig tagwach. Dasselbe gilt mutatis mutandis vom
Tischrücken, das ja im Grunde nur eine etwas umständliche Art des
automatischen Schreibens ist, und ähnlichen Verrichtungen. Nicht
ganz so extrem ist die Spaltung und das Auseinanderfallen des Tag-
bewusstseins und der automatischen Tätigkeit beim Kristallsehen,
erstens besteht dabei wohl öfters eine gewisse Einengung des Bewusstseins
und ausserdem kommt das Gesehene wohl immer zum Bewusstsein
, da andernfalls, wenn das Medium allein ist, im Falle der
Amnesie sonst kein Anzeichen der stattgehabten Vision vorhanden wäre.
Fall« das Medium aber in Gegenwart anderer Personen das Kristallsehen
vornimmt, so pflegt es das Gesehene auszusprechen; falls ako
auch das Gesehene bis zum Aussprechen dem Medium nicht zum Bewusstsein
gekommen wäre, was meinen Kenntnissen nach jedoch der
Fall zu sein pflegt, so würde es ihm beim Aussprechen zu Ohren
kommen; falls nicht beim Gehör wiederum eine Hemmung oder
sensorischo Spaltung vorliegen würde — wovon nichts bekannt ist —
so würde das Gesehene und Ausgesprochene dem Medium wenigstens
dann bekannt werden. Ich erwähne das hier deshalb, um zu zeigen,
dass die Situation beim Kristallsehen in mehr als einer Beziehung
anders liegt als beim automatischen Schreiben. Beide Automatismen
kommen jedenfalls trotz der Verschiedenheit darin überein, dass oft
kein Somnambulismus vorliegt, denn das Nichtwissen in vielen Fällen
von automatischem Schreiben beruht nicht auf Amnesie im gewöhnlichen
Sinne, sondern auf simultaner Spaltung, bei der bekanntlich
das Waehbewusstsein gegen die unterbevvussten Schichten abgesperrt
ist, während im Unterschied davon beim Kristallsehen trotz der vielfach
vorhandenen mehr oder weniger grossen Einengung des Bewusstseins
wohl immer ein Wissen um das Gesehene vorhanden ist; man
sieht, wie verwickelt bei genauerer Analyse die Verhältnisse hier
liegen.
Ich bestreite mit dem Gesagten natürlich nicht jeglichen Zusammen-
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