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428 Psychische Studien. XLVI1I. Jahrg. 8. Heft. (August 192>1.)
these wie die meisten Philosophen und Mediziner Deutschlands, sondern»
würdige sie objektiv, wie auch Spiritisten zugeben: ieh halte sie für
diskutabel und lohne sie nicht von vornherein ab, sehe allerdings
bisher noch nicht den Beweis geführt, ja auch mir den Weg zu
einem solchen.
Nun sagt man vielleicht, die spiritistische Hypothese sei gar kein
neues Erklärungsprinzip, sondern sehr alt. Es ist aber bisher jedenfalls
noch nicht von der "Wissensehaft anerkannt, und mit Recht, weil
bisher das prinzipielle Versagen der anderen Erklärungsmöglichkeiten
noch nicht nachgewiesen ist, -es würde sich also, df<, bisher die Geister
in der Wissenschaft noch keine Rolle spielen, nur um ein ad hoc
eingeführtes Prinzip handeln und solche Prinzipien sind nun einmal
aus methodischen Gründen in der Wissenschaft verpönt; sie stehen
ungefähr auf einer Stufe mit dem „horror vacai" der alten Physiker,
wo es sich darum handelte, zu erklären, warum das Wasser in einem
Pumprohr bei Hebung des Stempels in die Höhe steige, oder mit der
„vis dormitiva4, des Opiums der alten Aorzte, um die schlaf erzeugende
Wirkung des Opiums zu erklären, — es sind das keine Erklärungen
in unserem Sinne.
Um diese Ueberlegungen auf den Fall von der Schwester noch genauer
anzuwenden, den ich als gut verbürgt annehme, so liegt —
ohne jede Theorie zu sprechen — der Fall vor, dass die Schwester
automatisch etwas mitteilt, was nicht durch ihre normalen fünf Sinne
erworben sein kann. Bleiben drei Möglichkeiten (ich sehe von Zufall
und Kombinationen ab): 1. Entweder erhält sie auf übernormalem
Wege Kenntnisse von den Oedanken eines anderen
Menschen, in diesem Falle ihres Bruders (Telepathie).
2. Sie erhält direkte übernormale Kunde von den Vorgängen
(Hellsehen). 3. Es spielt ein Geist eine Rolle
(Spiritistische Hypothese). Da nun die Frage, ob Somnambulismus
besteht oder nicht, in dieser Angelegenheit gar keine entscheidende
Rolle spielt (siehe oben), so ist auf Grund des oben erwähnten
methodischen Prinzips in erster Linie neben Telepathie das
Hellsehen zur Erklärung heranzuziehen, und ich sehe keine prinzipiellen
Einwände gegen diese beiden Möglichkeiten.
In diesem besonderen Fall zumal sieht man rieht recht ein, was
die spiritistische Hypothese soll, da ja bei der Angelegenheit kein
Verstorbener eine Rolle spielt; allerdings ist die*spiritistische Hypothese
elastisch genu^, so dass das kein grundsätzlicher Einwand ist.
Noch einige Bemerkungen zu dem zweiten Aufsatz dös Herrn T.
Er spricht von „der offiziellen Lehre der Psychologie" des Unter-
bewusstseins. Ich kenne nicht „die" offizielle Lehre, ich weiss im
Gegenteil, dass die Ansichten der offiziellen Lehrer in dem Punkte
sehr weit auseinander gehen, was hat die Lehre Ziehens oder
Rehmkes, die ein Psychisch-Unterbewusstes gar nicht kennen, mit
den Ansichten von Volkelt, Messer, Driesch oder Oesterreich
gemein? Es geht also nicht an, sich auf „die offizielle Psychologie"
zu berufen. Noch in einem anderen Punkte bezieht sich Herr T.
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