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Kern: Zur Frage der Unsterblichkeit.
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auf die offizielle Psychologie und meint, es sei doch ein psychologisches
Grundgesetz, dass sämtliche Vorstellungen nur aus Wahrnehmungen
entstehen. Das aber steht ja gerade zur Diskussion, ob dies „Grund-
gesetz" richtig ist oder nicht. Da Herr T., soviel ich sehe, selbst
von der Tatsächlichkeit der Telepathie überzeugt ist, sollte ihm doch
die Unrichtigkeit dieses Grundgesetzes einleuchten, denn die Existenz
der Telepathie beweist ja eben, dass es Vorstellungen gebon kann,
die nicht auf Sinneswahrnehmungen zurückgeführt werden können,
gerade dieses Grundgesetz will ja der Okkultismus umstossen. Um so
mehr wundert mich die Berufung auf dies „Grundgesetz4', als er
kurz vorher schreibt, dass in der Hauptsache das Unterbewusstsein
aus unter die Schwelle des Oberbewusstseins gesunkenen Vorstellungen
besteht, womit ich durchaus übereinstimme: in der Hauptsache besteht
das Unterbewusstsein aus solchen Vorstellungen, daneben aber
gibt es in ihm eben unter Umständen übersinnlich erworbene
Kenntnisse.
Wie man »sieht, kann der Okkultismus nicht unbesehen die Lehren
der „offiziellen Psychologie44 übernehmen, er kommt sonst in Konflikt
mit von ihm selbst festgestellten Tatsachen und den darauf beruhenden
Ansichten. Es geht daraus hervor, wie eng die Beziehungen des
Okkultismus zur Psychologie s;ncl und welche bedeutenden Anregungen
die Philosophie und Psychologie sich vom Okkultismus holen könnten.1)
Zur Frage der Unsterblichkeit.
Von August Kern (Baden-Baden).
Wenn man die Arbeit über Telepathie und Hellsehen von Dr.
med. Tischner eingehend verfolgt, so kann man nicht umhin der
Überzeugung beizutreten, daß für die Aufklärung der telepathischen
und hellseherischen Ergebnisse die Annahme physikalischer
Vorgänge nicht ausreicht, ja, so gut wie nicht im Spiel sein
könne. Ich für meine Person könnte mir eine Gedankenübertragung
bzw. Vorstellungsübertragung von z. B. London nach
New York auf physikalischem Wege nicht erklären.
Man muß wohl oder übel ein außerkörperliches Wirken von
Seele zu Seele annehmen und wie Dr. Tischner sagt, „physikalische
Theorien grundsätzlich ablehnen4' (10B). „Es ist gewiß sehr
befremdend (77), daß ein entsprechend begabter Mensch an Hand
eines Gegenstandes Szenen mit voller Deutlichkeit vor sich sieht
und Gemütsbewegungen nachempfindet, die Jahre, Jahrzehnte, ja
wohl noch länger zurückliegen. Die Tatsache besteht aber einmal,
man* lasse sie auf sich wirken und versuche sie philosophisch zu
durchdringen und zu klären."
Ich frage mich, ob eine fachmännische Persönlichkeit wie Pro-
*) Ueber die mannigfachen Beziehungen der Philosophie zum Okkultismus
siehe mein soeben erschienenes Buch „Monismus und Okkultismus'*,
Verlag 0. Mutze, Leipzig. Preis 8 Mk., gebunden 12 Mk.
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