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v. Mayer: Psydioamalyse und K-krisimus 437
Wie? — sollte die Welt nur eine automasochistische Zwangsneurose
Gottes sein? Wen Wortgeklingel befriedigt, mag es bejahen; wer in
seinem Willen den Imperativ des Eigenschaffens und der Hilfe
fühlt und nach Wegweisern seiner Taten forscht, wird den Unsinn
der All-libido, des AU-gottes, der monistisch-nihilistischen All-einerlei-
heit abtun und sich zur Souveränität, Mündigkeit und Selbstverantwortung
seiner Seele bekennen — ein Arzt seiner selbst und seiner
Mitmenschen.
Hier aber erhebt sich sofort erneut und vertieft das Wertproblem,
für das in allem Monismus kein Eaum ist So wenig die Vorgänge
im Universum gleich-wert-los sind (— für den, der schaffenden Willen
besitzt —), so wenig ist auch das Erleben der Seele etwa ein belangloses
Gewoge, sondern vielmehr eine sinnvolle Bahn, die aus dem
Abgrunde des Urleides, dem die Seele wie ein Seufzer sich entringt,
aufwärts führt — wohin? Wäre das ringende Chaos der Eigenwesen
die einzige Wirklichkeit — woher könnte je ein richtender Maßstab
, ein Werturteil geschöpft werden, das doch schon im Erleiden,
wie im Ersehnen und in der Freude unzweifelhaft auftritt? Der blinde,
in Hass verkrampfte Drang der Eigenwesen findet sich eben einer
zweiten Wirklichkeit gegenüber, die der niederen ersten ihren Sinn
zumisst: Klarwelt hat Elisarion sie genannt, die Ewige Ordnung
Gottes, dessen Geist erst, erleuchtend, in die blinden Seelen dringt
und die dumpfe Unbewusstheit <Jes Urchaos zur klaren Bewusstheit
erheben will — dessen Geisteskraft, die Eigenwesen zum Erleben,
Erleiden, Ersehnen, Erkennen reifend, sie auch so einander zuführt
und mit einander verknüpft, auf einander derart abstimmt, dass sie
aus einsamen Blinden zu sehenden Freunden werden und in
Doppelbe Schwingung einander beglücken, einander im Aufstieg
fördern. So stiftet Gott durch seinen Geist in den Eigenwesen die
Wesenseinklänge, die wir Liebe nennen, und so wird kraft seines
Geistes Gott zum ewigen Liebesstifter, und mit keinem Namen
nennen wir ihn lauterer und echter, als wenn wir ihn Eros, den Befreier
und Befreunder der Seelen heissen. Eros und Chaos in
ewiger Zwieselbständigkeit: das ist der absolute, lebendige
Dualismus, wie ihn Elisarion setzt, die Ahnungen Zoroasters und
Manis überflügelnd und erfüllend. Nicht aus Gott sind die Wesen,
sondern aus sich selbst, Kinder des Ewigen Chaos, doch sie ringen
sich empor und reifen mit Gott zu Gott.
Und so wird dem Erotischen ein ganz neuer Wert, ja überhaupt
ein Wert und in hervorragendstem Sinne. Von diesem klaristischen
Sinne aus mag die erneute Psychoanalyse mit frischem Mute an ihre
heilende, nun erst wahrhaft heilsame Arbeit gehn. Im Lichte des
Klarismus ist der Eros nicht mehr eine Erscheinung dunkler, dumpfer,
gewaltsamer Libido — nicht mehr ein verzweifeltes Drängen des
Menschen zu erneuter Geburt oder gar ein übersinnlicher Inzestwunsch,
wo sich der Hass über eine unvollkommene Existenz, Hass gegen
die „furchtbare Mutter", mit dem brünstigen Erneuerungstrieb eint,
— aus eben demselben Schoss, der uns schon einmal ins Leben
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